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Per Anhalter (German Edition)

Per Anhalter (German Edition)

Titel: Per Anhalter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oke Gaster
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Teppich. Wer um alles in der Welt sollte diesen Scheißteppich wieder sauber machen, an dem das Blut und die klumpenartigen Innereienteile klebten?
    Sie hatten derzeit nicht einmal eine Auszubildende und heute war sie mit den Ärzten und mit ihrer Kollegin Jutta alleine, die bereits seit 25 Jahren in der Praxis beschäftigt war und die von Arbeit ohnehin nicht viel hielt und immer mehr Aufgaben einfach abtrat und sich mehr oder weniger nur noch um die Quartalsabrechnungen regelmäßig mit einem leichten Anflug von Enthusiasmus kümmerte. Wahrscheinlich auch nur, weil sie dabei ihre Ruhe hatte.
    Jedenfalls würde Jutta ihr den Vogel zeigen wenn sie sie darum bat, ihr bei der Teppichreinigung behilflich zu sein. Das würde also an ihr hängen bleiben, nicht wahr? Das kann ich nicht , dachte sie. Und es war einen furchtbaren Moment lang in der Tat alles woran sie dachte. Genau genommen so lange, bis Wolfgang eigenmächtig aufzustehen versuchte. Die überwiegend alten Patienten, die sich zu einer Traube Schaulustiger zusammen gerottet hatten, schauten größtenteils zu Boden. Wie Kinder, die dabei ertappt wurden, wie sie etwas Verbotenes taten. Einige blieben auch mit verschränkten Armen oder einer Hand am Kinn stehen und sahen wie eine Gruppe Medizinstudenten bei ihrer ersten Leichenbeschauung aus. Interessiert und erstaunt. Alle gafften. Zum Teil mit und zum anderen Teil, wie es aussah, ganz und gar ohne jedes Mitgefühl.
     
    Die Arzthelferin schlich um ihn herum, wirkte vollkommen unbeholfen.
    Sie bückte sich, doch ehe sie ihn berührte stand sie wieder auf. Sie seufzte, stöhnte und schien absolut nicht mehr Herr der Lage zu sein.
    „Aatzt“ stöhnte Wolfgang. „Aaaatzt!“ Mit diesem Ausruf erreichte er jedoch nur, dass ihn jetzt ausnahmslos alle anstarrten, als wäre er ein Zombie.
    „Hilfe“, rief er dann, und übergab sich prompt wieder. Scham, Wut, Schmerz und Verzweiflung. All das überspülte ihn gleichzeitig. Und all diese Menschen standen tatenlos da und glotzten ihn an. Warum kam keiner auf die Idee einen verfluchten Arzt zu rufen. Wenn er gewusst hätte, wo sein verdammtes Handy sich befand, hätte er schon unterwegs einen Krankenwagen gerufen. Nun war er schon mehr tot als lebendig bis zu dieser Praxis gefahren und trotzdem kam keiner auf die Idee ihm zu helfen und wenigstens einem Arzt Bescheid zu geben.
    Er griff mit seiner rechten Hand nach dem Tresen, um sich daran hoch zu ziehen. Irgendwo schrie eine hysterische Frau, als sähe sie das Ungeheuer von Loch Ness oder den weißen Hai leibhaftig. Als er fast auf den Beinen war sah er, dass es sich bei der schreienden Frau ausgerechnet um eine Arzthelferin handelte. Wirklich klasse . Dieser Laden hier war mal richtig kompetent. Nicht nur, dass die Patienten untätig herum standen, das war ja in einem gewissen Umfang noch zu verschmerzen, aber dass selbst das so genannte medizinische Fachpersonal überfordert war und sogar in Panik ausbrach, das war schon mehr als nur ein Armutszeugnis. Da hätte er sich genauso gut bis zur nächsten Telefonzelle schleppen und sich von dort aus einen Krankenwagen rufen können. Was war heute bloß in die Menschheit gefahren? Die einen drehten durch, nur weil man flirten wollte, andere schlichen sich in fremde Autos, richteten eine Waffe auf einen und drückten sogar ab. Und jetzt das hier. War die gesamte Menschheit denn auf einmal von Sinnen?
    „Aaazt“ stöhnte Wolfgang wieder, während er sich am Tresen entlang abstützte.
    Die Leute wichen zurück und machten ihm Platz. Er sah das mit Staub und Sand verdreckte, lange schlauchähnliche Ding aus seinem Bauch hängen. Worum es sich dabei genau handelte, wollte er lieber nicht so genau wissen. Aber es war ja wohl schlecht möglich, dass dieser Wahnsinnige so kräftig zugebissen hatte, dass nun sein kompletter Darm draußen hing und er seiner Scheiße bei der Wanderung in Richtung Arschloch zusehen konnte, oder?
    Oder?
    „Aa-haha-hazt“ Er hörte sich wie ein weinendes Kind an. Und er weinte tatsächlich, so stark waren die Schmerzen. Seine Beine gaben wieder nach. Er landete auf den Knien und fiel vornüber.
    „Ich brauch ein Aaarzt“ gurgelte er. Doch noch immer half ihm niemand. Dann verlor er den Kampf mit dem Bewusstsein.
     
    ***
     
    Inzwischen waren aus dem gesamten Norddeutschen Raum, aus Dänemark und sogar aus Schweden, bei der Kripo Flensburg mehr als zwei Dutzend brauchbare Hinweise eingegangen, die es unter anderem ermöglichten, über die so

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