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Per Anhalter (German Edition)

Per Anhalter (German Edition)

Titel: Per Anhalter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oke Gaster
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Mir geht es darum, wie David sich im Allgemeinen hier benimmt. Er hat es nicht verdient, dass ich ihm auch noch Kohle für ein Zugticket in den Hintern blase.“,
    „Ja, aber DU hast gesagt, dann soll er selbst sehen wie er hinkommt. Jetzt macht er das und es ist auch nicht richtig.“,
    „Du weißt genau, wie ich das gemeint habe. Und David weiß es auch.“,
    „NÖ! Woher denn auch?“,
    „Nadja…“,
    „Du hast ihn angelogen , Mama. Und jetzt lügst du schon wieder, weil du in seinen Sachen wühlst, obwohl du gesagt hast, dass du das nicht machen würdest.“,
    „Nadja, es reicht jetzt, okay? Vergiss nicht, wer hier das Sagen hat. Das bist nicht du und es ist auch nicht dein Bruder, ist das klar?!“,
    „Du kannst mich mal!“,
    „HEY!“,
    „Ich geh auf mein Zimmer, bevor du das auch noch durchsuchst.“,
    „NADJA!“ – Doch Nadja ging einfach weg, ließ sie sitzen.
    „NADJA!!!“ – nichts.
    „Ich fass es nicht…“ sagte sie zu sich selbst.
    Sie war als Kind nie von ihren Eltern geschlagen worden. Jedenfalls nicht auf die Art, wie viele ihrer Klassenkameradinnen, die nur mal ein paar Minuten zu spät nach Hause zu kommen brauchten, um den Vater dazu zu bewegen, den Gürtel zu ziehen. Sie war ganz bestimmt auch nicht ohne, aber hätte sie sich so verhalten, wie ihre Kinder jetzt, da war sie sich sicher, hätte ihr Vater dafür gesorgt, dass sie wochenlang nicht mehr schmerzfrei sitzen konnte. Und sie ließ es sich einfach bieten. Erst von David und Nadja fing jetzt schon genau so an. Oder was wurde das hier jetzt?
    Nadjas Zimmertür flog auf. „Ich will nicht mit `ner Lügnerin an einem Tisch sitzen!“ dann knallte sie die Tür wieder zu. Allein das – mit den Türen knallen – sie hatte das ein einziges Mal gemacht. Ein einziges, beschissenes Mal war sie beleidigt abgezischt und hatte die Zimmertür zugeknallt. Ihr Vater war ins Zimmer gekommen und hatte ihr eines der wenigen Male den Hintern auf Hochglanz poliert. Zu Recht! Vollkommen zu Recht! Er war deswegen kein Schläger, er ließ sich lediglich nicht von seinem eigenen Kind behandeln, als ob er der letzte Dreck wäre. Und verdient, fürwahr, verdient hätte Nadja das jetzt auch.
    Einen schönen Arschvoll. Genau wie David.
    Doch die Zeit war eine andere. Heutzutage war es unter Androhung der Todesstrafe verboten, seine Kinder auch nur anzufassen .
    Sie wünschte sich, dass sie es öfter mal getan hätte. Wer weiß, ob dann alles so gekommen wäre, wenn David zumindest ein klein wenig Respekt vor ihr gehabt hätte. David war Nadjas großes Vorbild – immer schon gewesen – und von daher war ihre Reaktion nur allzu verständlich. Vielleicht hab ich wirklich in meiner Erziehung versagt. Vielleicht hat Papa Recht. Sie fühlte sich missverstanden und hilflos. Allein der Rundblick durch Davids Zimmer... Sie hätte schreien können!
    Stattdessen ging sie in die Küche, schaltete den Backofen aus und öffnete die Klappe. Sie hatte keinen Appetit mehr auf Pizza. Und auch auf nichts anderes!
    Sie setzte sich aufs Sofa, zündete sich eine Zigarette ein und füllte ihr Sektglas auf. Plötzlich ertappte sie sich dabei, dass sie auf ihren Fingernägeln herum kaute. Das hatte sie früher schon immer getan, wenn sie unter großem Druck stand. Ihre Fingernägel waren ihre mittlerweile sehr wichtig, daher überraschte es sie, dass sie ohne nachzudenken darauf herum kaute, während sie, wenn sie sich auf Arbeit einen abbrach, innerlich fast schon hysterisch wurde. Es war der Daumennagel, auf dem sie gekaut hatte, und der jetzt nur noch ein halber Halbmond war. Die andere Hälfte des Nagels lag auf ihrer Zunge. Sie puhlte ihn mit zwei Fingern heraus und legte ihn in den Aschenbecher.
     
    ***
     
    Zur gleichen Zeit hatte Lena in Flensburg die Hoffnung gänzlich aufgegeben. Sie war nicht sauer, oh nein, sie war enttäuscht . Und zwar maßlos enttäuscht.
    Irgendetwas in ihr sagte zwar beharrlich, dass David so etwas nie tun würde, aber Fakt war nun mal: Er war nicht da. Er hatte sie versetzt.
    Der Gedanke, ihm könne etwas zugestoßen sein, kam ihr zwar zwischendurch auch, aber er war eher so etwas wie ein letzter Strohhalm, etwas Utopisches. Irgendwie kam das gar nicht in Betracht.
    Die Wahrheit war die, dass David genauso falsch und hinterhältig war, wie die meisten anderen Kerle von denen sie gehört hatte. Sie bekamen kalte Füße und zogen die Schwänze ein – so sah es aus.
     
    Wütend und aufgebracht hatte sie dies bereits Annika erzählt.

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