Per Anhalter (German Edition)
Bett. Sogar so einen tollen Ausweis, damit er auf Behindertenparkplätzen stehen konnte, und, und, und. Da würde sich noch eine ganze Menge ändern… Es waren Dinge, die er zwar permanent im Kopf hatte, die er jedoch immer nur vor sich her schob. Er konnte spüren, dass sich die Dinge langsam aber sicher wieder gegen ihn verschworen, ganz besonders an seiner Mutter merkte er das. Zuerst hatte sie nur ständig geheult und ihn immerzu besucht. Sie schien gar nicht genug von ihm zu bekommen, sie nahm ihn in den Arm, brachte ihm Süßigkeiten und redete davon, dass sie alles schon irgendwie hinbekommen würden, und dass es einzig und allein wichtig war, dass er noch am Leben sei.
Doch je weiter die Zeit fortschritt, desto mehr löste sich der tranceähnliche Zustand, die Wolke auf der sie zu schweben schien, in Wohlgefallen auf.
Sie erzählte, dass sie auf der Tankstelle gekündigt hatte… Das war schon in einem merklich nach Anklage klingendem Tonfall geschehen. Und irgendwann kamen auch wieder so Dinge auf den Tisch, dass er sich auch Gedanken machen müsse, wie er sich nun seine Zukunft vorstellte. Ja, man konnte sagen sie ließ ihn spüren, dass er für den Mist verantwortlich sei der passiert war, und dass er nun verdammt noch mal auch sehen musste, wie er damit fertig werden würde. Zwischen den Zeilen lauteten die Botschaften seiner Mutter:
Schau her was du angerichtet hast. Deinetwegen war ich psychisch so labil, dass ich mich nicht mehr in der Verfassung sah, meinen beruflichen Pflichten nachzukommen. Als Konsequenz habe ich den Aufhebungsvertrag unterschrieben.
Glaub ja nicht, dass nur, weil du jetzt keine Beine mehr hast, du dich hier auf die faule Haut legen kannst. Es gibt auch Menschen ohne Beine die arbeiten gehen.
Du hast mich tausend Mal vor und zurück durch die Hölle geschleift, nun bist du am Zug!
Ich tue wirklich alles für dich, aber ich erwarte eine Gegenleistung.
Erstaunlicherweise galt gleiches auch für Nadja. Auch sie war nach der anfänglichen Starre mittlerweile ziemlich kalt und reserviert.
David war nicht blöd – er verfügte über genügend Empathie um all das sehr genau zu verstehen.
Und er litt immens darunter. Denn er war schuld daran, da gab es gar nichts zu leugnen. Wenn er nicht auf die hanebüchene Idee gekommen wäre, per Anhalter zu fahren, wäre all das nie passiert. Dessen musste er sich bewusst sein und dessen war er sich bewusst. Aber das machte die ganze verflixte Situation auch nicht einfacher für ihn.
So schlimm wie jetzt, da er wieder zu Hause war, war es vorher allerdings noch nicht gewesen. Wie ein falscher Fufziger kam er sich vor als er hier in seinem Zimmer stand. Wie ein undankbarer Pascha, der jetzt, nach all dem was passiert war, genau so weiter machte wie vorher. Als hätte er nichts dadurch gelernt.
Was sollte er jetzt tun? Wie ein dreckiger Heuchler mit seinem neuen Gefährt in die Küche rollen und seiner Mutter beim Wegräumen der Einkäufe helfen? Als ob sie das nicht durchschaute…
Zu ihr hinfahren und fragen: „Kann ich dir irgendwas helfen, Mama?“
Kompletter Unfug! Das wäre so ziemlich die primitivste Masche der Welt, um sich bei ihr einzuschleimen. Sie würde es sofort merken und ihn sofort abstoßen.
„Ist nicht nötig, David, danke.“ Und dann? Sollte er sie vielleicht auch noch fragen warum denn nicht? Klar, sicher… Weil ich im Moment keine Hilfe brauche, David. Das ist wirklich lieb gemeint, aber ich glaube du hast im Augenblick einen Haufen wichtigerer Dinge, um die du dich kümmern solltest. Schleim dich nicht ein!!! Das hilft dir auch nicht weiter, kapiert? Ja, ich bin stocksauer. Und wenn du es genau wissen willst, werde ich für den Rest deines Lebens stocksauer auf dich sein. Und bevor du jetzt fragst wieso, schau mal an dir herunter. Und schau auch mal über den Tellerrand hinaus. Denkst du, ich kann dich für allezeit in meiner kleinen Karre durch die Weltgeschichte kutschieren? Mal hierhin zum Onkel Doktor, dann da hin zur Krankenpflege, hier eine Reha und dort eine Maßnahme… Wie stellst du dir das vor? Natürlich sind all diese Maßnahmen wichtig, aber weißt du eigentlich, dass wir uns das alles hätten sparen können??? Deinetwegen kann Opa mir jetzt auch noch einen größeren Wagen besorgen. Ich selber kann das nicht. Ich habe im Moment nicht einmal Arbeit, hörst du? HÖRST DU???
Wirklich wahr, seine Gedanken spielten seit einiger Zeit komplett verrückt. Sie waren grauenvoll real. Fast wie eine zweite
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