Percy Jackson Bd. 5 Die letzte Göttin
ihr genau das für die Lehre aus der Geschichte haltet: Die Menschen sollen
nichts erforschen. Sie sollen keine Fragen stellen. Sie sollen tun, was ihnen aufgetragen wird. Percy, dieses Gefäß war eine von Zeus und den anderen Göttern ersonnene Falle. Es war eine Rache an
mir und meiner gesamten Familie – meinem armen schlichten Bruder Epimetheus und seiner Frau Pandora. Die Götter wussten, dass Pandora das Gefäß öffnen würde. Sie waren bereit, zusammen mit uns die gesamte Menschheit zu bestrafen.«
Ich dachte an meinen Traum von Hades und Maria di Angelo.
Zeus hatte ein ganzes Hotel zerstört, um zwei kleine Halbgötter zu vernichten, einfach um seine Haut zu retten, weil er Angst vor einer Weissagung hatte. Er hatte eine unschuldige Frau getötet und deshalb sicher nicht schlechter geschlafen. Und Hades war auch nicht besser. Er hatte nicht genug Macht, um sich an Zeus zu
rächen, deshalb hatte er das Orakel verflucht und ein junges Mädchen zu einem schrecklichen Schicksal verurteilt. Und Hermes …
warum hatte er Luke im Stich gelassen? Warum hatte er ihn nicht wenigstens gewarnt oder versucht, ihn besser zu erziehen, damit er kein so böses Ende nehmen würde?
Vielleicht spielte Prometheus wirklich mit meinen Gedanken.
Aber was, wenn er Recht hat?, fragte ein Teil von mir. Wieso sollen die Götter eigentlich besser sein als die Titanen?
Prometheus klopfte auf den Deckel von Pandoras Krug. »Nur ein
Geist blieb darin, als Pandora sie geöffnet hatte.«
»Hoffnung«, sagte ich.
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Prometheus sah sehr zufrieden aus. »Sehr gut, Percy. Elpis, der Geist der Hoffnung, wollte die Menschheit nicht im Stich lassen.
Hoffnung verschwindet nicht ohne Erlaubnis. Sie kann nur von
einem Menschenkind freigelassen werden.«
Der Titan schob den Krug über den Tisch.
»Ich gebe ihn dir als Erinnerung daran, wie die Götter sind«,
sagte er. »Behalte Elpis, wenn du willst. Aber wenn du beschließt, dass du genug Zerstörung gesehen hast, genug sinnloses Leid,
dann mach das Gefäß auf. Lass Elpis frei. Gib die Hoffnung auf, und ich weiß, dass du dich ergibst. Ich verspreche, Kronos wird gnädig sein. Er wird die Überlebenden verschonen.«
Ich starrte den Krug an und hatte ein sehr schlechtes Gefühl.
Bestimmt war Pandora ein schwerer Fall von ADHD gewesen,
genau wie ich. Ich konnte nichts auf sich beruhen lassen. Ich
mochte keine Versuchungen. Und was, wenn das hier meine Entscheidung war? Vielleicht ging es bei der Weissagung darum, ob ich diesen Krug geschlossen ließ oder ihn öffnete.
»Ich will dieses Ding nicht«, knurrte ich.
»Zu spät«, sagte Prometheus. »Das Geschenk ist bereits über-
reicht. Ich kann es nicht zurücknehmen.« Er erhob sich. Die Empusa glitt heran und schob ihren Arm in seinen.
»Morrain«, rief Prometheus dem blauen Riesen zu. »Wir gehen.
Hol deine Fahne.«
»Oha«, sagte der Riese.
»Wir sehen uns bald wieder, Percy Jackson«, versprach Pro-
metheus. »So oder so.«
Ethan Nakamura warf mir einen letzten hasserfüllten Blick zu.
Dann machten die Vermittler kehrt und schlenderten durch den
Central Park davon, als ob es ein ganz normaler Sonntagnachmittag wäre.
Schweine fliegen
Im Plaza zog Thalia mich beiseite. »Was hat Prometheus dir
gezeigt?«
Widerstrebend erzählte ich ihr von der Vision von May Castel-
lans Haus. Thalia rieb sich den Oberschenkel, als ob sie sich an eine alte Wunde erinnerte.
»Das war eine schlimme Nacht«, gab sie zu. »Annabeth war
noch so klein. Ich glaube nicht, dass sie alles verstanden hat, was sie da sehen musste. Sie wusste nur, dass es schlimm für Luke
war.«
Ich schaute aus den Hotelfenstern zum Central Park hinüber. Im Norden brannten kleine Feuer, ansonsten kam mir die Stadt unnatürlich friedlich vor. »Weißt du, was mit May Castellan los ist?
Ich meine …«
»Ich weiß, was du meinst«, sagte Thalia. »Ich habe sie nie bei so einer, äh, Episode erlebt, aber Luke hat mir von den glühenden Augen und ihren seltsamen Reden erzählt. Ich musste ihm ver-
sprechen, nie darüber zu reden. Wodurch das alles verursacht
worden ist, weiß ich aber nicht. Und wenn Luke es gewusst hat, dann hat er es mir jedenfalls nie erzählt.«
»Hermes hat es gewusst«, sagte ich. »Irgendwie hat May Teile
von Lukes Zukunft gesehen, und Hermes hat gewusst, was passier-en würde – dass Luke sich in Kronos verwandelt.«
Thalia runzelte die Stirn. »Da kannst du nicht sicher sein. Vergiss nicht, dass Prometheus die
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