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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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aber dann löschte das überwältigende Spektakel von vier Paar hypnotischen Schwingen sein Bewusstsein aus, und er war verloren.
    Der Eindringling schob die Männer in die Reichweite seiner gefangenen Artgenossen, die mit den kurzen Gliedmaßen, deren Gebrauch man ihnen gelassen hatte, gierig nach der Atzung griffen.
    Die Falter labten sich.
     
    Einer von ihnen tastete nach dem Schlüsselbund am Gürtel seiner Beute und riss ihn ab. Sobald er gesättigt war, reckte er sich und praktizierte den Schlüssel umständlich in das Schloss des eisernen Reifens, mit dem er an die Mauer gefesselt war.
    Vier Versuche waren nötig – der Schüssel war ein fremder Gegenstand, dazu die eingeschränkte Bewegungsfreiheit –, aber es gelang der Kreatur, sich ihrer Fesseln zu entledigen. Sie wiederholte die Aktion bei jedem ihrer Gefährten, bis alle Gefangenen frei waren.
    Hintereinander schlurften sie unbeholfen zu dem Loch in der Mauer, wo das Fenster gewesen war. Sie zögerten einen Moment, bewegten prüfend die steif gewordenen Muskeln, dann stießen sie sich ab, breiteten weit die bizarren Schwingen aus und schwebten in die Nacht hinaus, weg von der ihnen schädlichen, auszehrenden Aura der Rippen.
    Ihr Befreier war der Letzte. Er konnte ihnen nur mühsam folgen – selbst geschwächt von langer Gefangenschaft unter schlechten Bedingungen, flogen sie so schnell, dass er weit hinter ihnen zurückblieb. Hoch über der Stadt bildeten sie einen Kreis, öffneten ihr Bewusstsein, schwelgten in dem Meer der Sinnesreize und Eindrücke, die von der Stadt aufstiegen.
    Als ihr Retter sie erreichte, gedemütigt, machten sie ihm Platz und nahmen ihn in ihren Kreis auf. Gemeinsam flogen sie weiter, teilten, was sie fühlten, schleckten genießerisch mit der langen Zunge durch die an lockenden Düften reiche Luft.
    Wie Isaacs Zögling bei seinem Jungfernflug, gerieten auch sie in den Sog der Perdido Street Station. Sie kreisten langsam – fünf, entsprechend den fünf Bahnlinien der Stadt – über dem urbanen Koloss, ein wimmelndes Zuhauf, wie keiner ihrer Art es je erlebt hatte. Von widerstreitenden Winden gewiegt, badeten sie in dem satten Bouquet, das davon aufstieg, erregt von Lärm und Leben der brodelnden Stadt.
    Überfluss. In allen Himmelsrichtungen, wohin sie auch witterten – dunkle Brücke, altes Herrenhaus, verwinkelter Basar, Elendsviertel, Park – herrschte Überfluss an Nahrung.
    Dort unten war ein Dschungel ohne Jäger. Ein Schlaraffenland.

 
KAPITEL 23
     
     
    Etwas blockierte die Eingangstür des Lagerhauses. Leise fluchend versuchte Isaac, das Hindernis wegzuschieben.
    Es war der Tag nach seinem Durchbruch, seinem Gaudeamustag, wie er ihn getauft hatte. Zu seiner Freude war Lin zu Hause gewesen, als er gestern Abend an ihre Tür klopfte. Sie war zwar müde, aber glücklich über seinen Besuch. Drei Stunden verbrachten sie im Bett und schlenderten dann hinüber zum Glock’ und Gockel.
    Es wurde eine fast unheimlich perfekte Nacht. Jeder, den Isaac sich zu sehen gewünscht hätte, war in Salacus Fields unterwegs, und alle machten früher oder später Zwischenstation im G & G, für Hummer oder Whiskey oder Schokolade, aromatisiert mit Quinner. Es gab Neuzugänge in der Clique, unter anderem Maybet Sunder, der man ihren ersten Platz beim Shintacost-Preis verziehen hatte. Im Gegenzug ignorierte sie großzügig Derkhans scharfzüngige Kommentare in sowohl gedruckter als auch mündlich geäußerter Form.
    Lin entspannte sich in der Gesellschaft ihrer Freunde, allerdings hatte es den Anschein, dass ihre melancholische Stimmung nicht verschwand, sondern nur etwas in den Hintergrund trat. Isaac führte eine seiner halblauten politischen Diskussionen mit Derkhan, die ihm die neuste Ausgabe des LF zusteckte. Die fröhliche Gesellschaft hatte debattiert und geschlemmt und sich mit Essen beworfen, bis Lin und Isaac gegen zwei Uhr nach Hause gingen und ins Bett, wo sie aneinander gekuschelt einschlummerten.
    Beim Frühstück hatte er ihr von seinem Triumph bei der Arbeit an der Krisismaschine erzählt. Auch wenn sie die Bedeutung seines Erfolgs nicht zu hundert Prozent erfassen konnte, hatte sie gemerkt, dass er euphorisch war wie selten, und sie gab sich alle Mühe, seine Begeisterung zu teilen. Und Isaac merkte, dass es ihm tatsächlich gut tat, ganz unwissenschaftlich über sein Projekt zu sprechen, auf einer Ebene, die für einen Laien verständlich war. Es holte ihn auf den Boden der Tatsachen zurück. Während er Lin die

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