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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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in ihren schwarzen Uniformen hervor und fischten zum Beispiel Mordopfer aus dem Fluss. Ihre Luftschiffe walzten durch den Himmel, ihre Gondeln sausten hin und her, zu irgendwelchen obskuren Zwecken und Zielen. Ihre Türme waren Sperrgebiet.
    Die Miliz, New Crobuzons militärischer Schutz und interne Polizeimacht, trat nur dann öffentlich in voller Montur in Erscheinung – Kampfanzug, dazu der berüchtigte Helm mit Vollvisier, schwarze Körperpanzerung, Schild und Steinschlossgewehr –, wenn sie an einem neuralgischen Punkt als Ordnungshüter fungierte, oder in Zeiten höchster Alarmbereitschaft. Sie trug den Kampfanzug mit Stolz während der Piratenkriege und der Sacramundi-Aufstände, als äußere und innere Feinde den Stadtstaat bedrohten.
    Für die Erledigung ihrer alltäglichen Pflichten verließ sie sich auf ihre Reputation und ihr weit gespanntes Netzwerk von Zuträgern – Informationen wurden großzügig entlohnt – sowie Beamte in Zivil. Wenn die Miliz zuschlug, waren es der Cassis trinkende Herr im Café, die alte Frau mit schweren Einkaufstaschen, der Angestellte mit steifem Kragen und blank geputzten Schuhen, die plötzlich aus unsichtbaren Falten ihrer Kleidung Kapuzen über den Kopf zogen, aus verborgenen Halftern Pistolen hervorzauberten und den Schlupfwinkel einer Verbrecherbande stürmten. Wenn ein Taschendieb nach vollbrachter Tat unter dem Gezeter seines Opfers davonlief, war es vielleicht ein stattlicher Herr mit buschigem Schnauzbart (falsch, unübersehbar falsch, würde man später überlegen, weshalb war einem das nicht aufgefallen?), der den Übeltäter in den Schwitzkasten nahm und mit ihm oder ihr in der Menge verschwand oder im nächsten Milizturm.
    Nachher dann vermochte kein Augenzeuge mit Sicherheit zu sagen, wie diese getarnten Agenten ausgesehen hatten. Und der biedere Angestellte oder der beleibte Herr würden einem in diesem Teil der Stadt nie wieder über den Weg laufen.
    Das war die Politik der Dezentralisierung von Angst.
    Gegen vier Uhr morgens entdeckte eine Zivilstreife die Prostituierte und ihren Kunden in Brock Marsh. Die beiden Männer, die, Hände in den Taschen und hellwach, durch die dunklen Gassen bummelten, blieben stehen, als sie im trüben Schein einer Gaslaterne die verkrümmten Leiber entdeckten. Ihr Benehmen veränderte sich. Sie schauten sich nach allen Seiten um und gingen dann in die Sackgasse hinein.
    Sie fanden das besinnungslose Pärchen kreuzweise übereinander liegend, Augen glasig und leer, beider Atem ging schnell und roch aufdringlich nach Zitrone. Dem Mann hingen Hose und Unterhose um die Knöchel und entblößten seinen geschrumpften Penis. Die Kleidung der Frau – sie trug den Rock mit eingearbeitetem Schlitz, der sich bei Prostituierten großer Beliebtheit erfreute, weil er half, die Kunden schneller abzufertigen – war intakt. Als es den beiden Agenten nicht gelang, die beiden zu wecken, blieb einer vor Ort, während der andere davonlief. Beide Männer hatten schwarze Hauben über den Kopf gezogen.
    Kurze Zeit später hielt eine schwarze Kutsche vor der Gassenmündung, gezogen von zwei kolossalen Gäulen, Remade mit Hörnern, und Fängen, von denen Geifer troff. Ein kleiner Trupp uniformierter Milizionäre sprang heraus und beförderte wortlos die schlaffen Körper ins Innere der Kutsche, die anschließend in Richtung des Spike davonrollte.
    Die beiden Agenten blieben zurück. Sie warteten, bis das Räderrollen auf dem Kopfsteinpflaster verklungen war. Dann hielten sie aufmerksam Umschau und schätzten ab, welche Gefahr möglicherweise von den wenigen Lichtern ausging, die in vereinzelten Fenstern von Wohnblocks zwinkerten, in Aborten, hinter bröckelnden Mauern hervor und durch die dünnen Finger von Obstbäumen in Gärten. Überzeugt, dass sie unbeobachtet geblieben waren, streiften sie die Hauben ab und steckten die Hände wieder in die Hosentaschen. Von einem Augenblick zum anderen waren sie in die Rolle gut gelaunter Nachtschwärmer geschlüpft und setzten angelegentlich plaudernd ihren Streifengang fort.
    In den Gewölben unter dem Spike bemühte man sich, die schlaffen Findlinge aufzuwecken, mit Schütteln, Ohrfeigen, Anschreien und gutem Zureden. Gegen Morgen wurden sie von einem Arzt der Miliz in Augenschein genommen, der einen vorläufigen Bericht verfasste.
    Allenthalben kratzte man sich ratlos am Kopf.
    Der Bericht des Arztes, in einer Mappe mit zusammengefassten Informationen über alle anderen ungewöhnlichen oder ernsthaften

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