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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Antidogmatismus eine gewisse Aufweichung, bis er hemmungslos anfing zu dozieren.
    »Ged«, fragte Isaac, »was kannst du mir über die Garuda berichten?«
    Ged zuckte die Schultern, während sein breiter Mund sich vor Freude über die Möglichkeit, sein Wissen weiterzugeben, zu einem ausladenden Grinsen verzog.
    »Nicht besonders viel. Vogelmenschen. Leben im Cymek und nördlich von Shtoek und im Westen von Mordiga, heißt es. Vielleicht auch noch auf einigen der anderen Kontinente. Hohle Knochen.« Geds Blick war starr nach innen gerichtet, auf die Seiten des fremdvölkerkundlichen Buches, aus dem er zitierte. »Cymek-Garuda sind egalitär, absolut egalitär, und absolut individualistisch. Jäger und Sammler, keine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Kein Geld, keine Rangordnung, auch wenn man eine Art freiwilliger Hierarchie annehmen kann. Der eine verdient mehr Respekt als der andere, so in der Art. Keine Götter, aber sie haben einen Repräsentanten des Bösen, der ein wirkliches Eidolon sein mag oder auch nicht. Dahmesch heißt er. Waffen sind Peitsche, Pfeil und Bogen, Speere, leichte Klingen. Keine Schilde – hinderlich beim Fliegen. Deshalb benutzen sie manchmal zwei Waffen gleichzeitig. Gelegentlich gibt es die üblichen Scharmützel mit anderen Gruppen oder Spezies, wahrscheinlich Kämpfe um Jagdgründe und Nahrungsressourcen. Du weißt von ihrer Bibliothek?«
    Isaac nickte. In Geds Augen trat ein Funkeln fast obszöner Gier.
    »Gottschiet, wie gern ich darin einmal herumstöbern würde! Leider unmöglich.« Er seufzte betrübt. »Die Wüste ist nicht unbedingt der rechte Ort für unsereinen. Zu trocken.«
    »Hm.« Isaac hob vage eine Schulter. »Tja, wenn du nicht mehr Informationen auf Lager hast, als das bisschen, brauchen wir uns eigentlich nicht länger zu unterhalten.«
    Erschrocken sah er, wie Geds Miene bibliophiler Versonnenheit sich zu schmerzlicher Bestürzung wandelte.
    »Kleiner Scherz meinerseits, Ged! Ironie! Sarkasmus! Du weißt ungeheuer viel über die Garuda. Wenigstens verglichen mit mir. Ich habe bereits bei Shacrestialchit nachgeschlagen, und du hast mir schon mehr sagen können als er. Weißt du irgendetwas über ihren – äh – Moralkodex?«
    Ged starrte Isaac an. Seine großen, runden Augen verengten sich. »Worauf willst du hinaus, alter Freund? Sie leben hundertprozentig nach dem Gleichheitsprinzip in allen Bereichen – hm. Ihre Gemeinschaft basiert auf der maximalen Entscheidungsfreiheit jedes Einzelnen, deshalb kennen sie auch kein Privateigentum. Das garantiert eben jedem die größtmögliche Selbstbestimmung. Soweit ich mich erinnere, besteht das einzige Verbrechen, das sie kennen, darin, einen anderen Garuda der Möglichkeit zu berauben, frei zu entscheiden. Die Schwere des Verbrechens bemisst sich danach, ob die Tat mit oder ohne Respekt begangen wurde. Respekt ist ihnen das Wichtigste überhaupt.«
    »Wie raubt man jemandem die Entscheidungsfreiheit?«
    »Keine Ahnung. Nimmst du zum Beispiel jemandem den Speer weg, hat er nicht mehr die Wahl, ihn zu benutzen oder nicht. Und wenn man verschweigt, wo schmackhaftes Moos zu finden ist, so dass die anderen nicht die Möglichkeit haben, sich daran gütlich zu tun …?«
    »Also sind einige Arten von Entscheidungsraub vielleicht Analogien zu Taten, die wir als Verbrechen bezeichnen würden, und andere haben kein Äquivalent in unserer Gesellschaft und nach unserem Verständnis«, meinte Isaac.
    »Könnte man annehmen.«
    »Was versteht man unter einem abstrakten Individuum, beziehungsweise einem konkreten Individuum?«
    Ged musterte Isaac mit staunender Ehrfurcht.
    »Bei meinem Hintern, Isaac – du hast dich mit einem Garuda angefreundet, stimmt’s?«
    Isaac hob eine Augenbraue und nickte kurz.
    Ged heulte auf. Leute an den umstehenden Tischen wandten in flüchtigem Interesse den Kopf. »Und noch dazu ein Cymek-Garuda! Isaac, du musst ihn – ihn? sie? – mitbringen, damit wir uns über den Cymek unterhalten können!«
    »Ich weiß nicht, Ged. Er ist ein wenig – ungesellig …«
    »Bitte, o bitte …«
    »Schon gut, schon gut, ich werde ihn fragen. Aber mach dir keine allzu großen Hoffnungen. Vorläufig sei so gut, mir den Unterschied zwischen diesen komischen abstrakten und konkreten Individuen zu erklären.«
    »Das ist ja so faszinierend. Wahrscheinlich darfst du nicht über deinen Auftrag sprechen? Aha, habe ich mir gedacht. Nun gut, einfach ausgedrückt und so weit ich es verstehe, herrscht bei ihnen

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