Perdido Street Station 02 - Der Weber
in seiner Wendung innehielt und den anstürmenden zwiegestaltigen Feind fixierte.
Im selben Moment erfolgte ein gleichzeitiger Angriff der anderen beiden Falter auf den Weber; einem gelang es, ihm seine scharfe Knochenlanze in den riesigen, tropfenförmigen Hinterleib zu stoßen. Als der gigantische Arachnide sich zurückwarf, schleuderte ihm der zweite Falter eine Tentakelschlinge um den Hals. Der Weber zuckte aus der Nacht auf eine andere Ebene zurück, aber der Tentakel hielt ihn fest, halb hier, halb dort, und zog sich unerbittlich fester zusammen.
Der Weber bäumte sich auf und kämpfte gegen die Fessel, aber die Sinistrals nahmen kaum davon Notiz. Der dritte Falter hatte sich ihnen zugewandt.
Die Dextrier, durch das Tuch vor den Augen blind, fühlten das entsetzensvolle psychische Winseln ihrer Sinistrals, die sich verrenkten, um den angreifenden Falter mittels der Spiegel im Blick zu behalten.
Stichflammen!, befahl der Schreiber-Handlinger seinem Dextrier. Jetzt!
Der Wirtskörper, die alte Dame, öffnete den Mund und streckte eine zusammengerollte Zunge heraus. Sie atmete scharf ein und blies mit aller Kraft. Ein Strahl pyrotisches Gas schoss aus der Zungenröhre und entzündete sich spektakulär vor dem schwarzen Nachthimmel zu einer Feuerwalze, die auf den Gierfalter zurollte.
Die Richtung stimmte, aber in seiner Angst hatte der Sinistral zu früh gestichflammt. Das Feuer verflackerte in einem öligen Strudel, ohne sein Ziel erreicht zu haben. Als es erlosch, war der Falter verschwunden.
Von Panik ergriffen, ließen die Sinistrals ihre Dextrier sich in der Luft um die eigene Achse drehen, damit sie Ausschau nach der Kreatur halten konnten. Warten! Warten!, schrie der Hundhandlinger, aber seine Warnung wurde überhört. Die Handlinger dümpelten ziellos am Himmel wie Treibgut im Ozean, in fünf verschiedene Richtungen gewandt, die Blicke verzweifelt zwischen den Spiegeln hin- und herirrend.
Da!, schrie der Sinistral des hübschen Fräuleins. Er hatte den Falter entdeckt, der unaufhaltsam wie ein Anker auf die Stadt niederstürzte. Die anderen Handlinger wendeten in der Luft, um in ihren Spiegeln einzufangen, was er gesehen hatte, und fanden sich mit einem vielstimmigen Aufschrei Auge in Auge mit einem anderen Falter.
Während sie nach seinem Vetter Ausschau hielten, war er lautlos über sie hinweggeflogen, sodass er, als sie sich herumdrehten, mit ausgebreiteten Flügeln, ihr Blickfeld ausfüllend, unmittelbar vor ihnen hing.
Der Sinistral des kräftigen Mannes besaß die Geistesgegenwart, die Augen seines Wirts zu schließen und seinem Dextrier zu befehlen, stichflammend eine Drehung um einhundertachtzig Grad auszuführen. Der verängstigte Dextrier in dem Körper des Jungen bemühte sich zu gehorchen und spie Flammenbälle in einer engen Spirale um sich herum. Einige davon trafen das Handlingerpaar neben ihm.
Der Remade-Dextrier und sein Khepri-Sinistral schrien, hörbar und mental, als sie und ihre Wirte Feuer fingen. Sie stürzten aus dem Himmel in einen qualvollen Opfertod, schreiend, bis sie starben, auf halbem Weg nach unten; Blut verkocht, Knochen geborsten in der infernalischen Hitze, bevor sie auf das Wasser des Tar aufschlugen. Eine zischende Dampfwolke stieg auf, wo sie in den trüben Fluten versanken.
Der Fräulein-Sinistral verharrte in Trance, die geborgten Augen glasig von dem Sturm der Muster auf den Gierfalterschwingen. Die plötzliche Flut losgelöster Träume strömte durch den Kanal zu seinem Dextrier. Der Vodyanoi-Handlinger zuckte unter der bizarren Kakophonie eines sich entleerenden Bewusstseins. Ihm wurde klar, was geschehen sein musste. Er stöhnte vor Grauen mit dem Mund seines Wirts und zerrte an den Riemen des Geschirrs, dass den Sinistral samt Gastkörper an seinen Rücken fesselte. Dabei hielt er die Vodyanoiaugen fest geschlossen, sogar unter der Binde.
Während er sich bemühte, den Ballast abzuwerfen, stichflammte er ziellos, zerriss die Nacht mit grellen Feuergarben. Eine davon streifte fast den Rescue-Handlinger, der sich bemühte, dem hysterischen Geschrei seines Sinistrals Folge zu leisten. Er wich allzu hastig dem Schwall glutheißer Luft aus und prallte gegen den verletzten Falter.
Die Kreatur bebte vor Schmerzen und Angst. Man hatte den Weber von ihr weggerissen, jetzt strebte sie mit schwindenden Kräften ihrem Nest zu, blutend und geschlagen. Ausnahmsweise hatte sie kein Interesse an Nahrung. Sie zuckte gepeinigt, als der Rescue-Handlinger und sein
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