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Perfekte Manner gibt es nicht

Perfekte Manner gibt es nicht

Titel: Perfekte Manner gibt es nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cabot Meg
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die Rotoren schief und verbogen.
    Atemlos stand sie auf. Was sie vorgehabt hatte, wusste sie später nicht mehr. Ihre spärlichen Erste-Hilfe-Kenntnisse hatte sie zahlreichen loyal konsumierten STAT -Folgen entnommen. Eine Pfadfinderin war sie nie gewesen, eine Lebensretterin schon gar nicht. Trotzdem hatte sie beobachtet, wie Dr. Rourke an zahlreichen Unfallopfern eine Herz-Lungen-Wiederbelebung praktizierte. Besonders denkwürdig war die erste Folge der fünften Staffel gewesen. Da hatte er alle Insassen eines umgekippten Highschool-Fanbusses gerettet, und sie glaubte, das könnte sie genauso gut, wenn nicht sogar besser.
    Aber als sie ihren Leidensgenossen zu Hilfe eilen wollte, wurde sie nicht nur von plötzlich intensivierten Kopfschmerzen zurückgehalten, sondern auch weil wegen der abrupten Aktivität alles vor ihren Augen verschwamm. Nein, hauptsächlich hing es mit der Hand zusammen, die ihren Arm wie eine Eisenklammer umschloss.
    Lou riss ihren Blick vom verbeulten Helikopterwrack los, wandte sich zum Besitzer der Hand und schaute in Jack Townsends kühle, kompromisslose eisblaue Augen. Für diese Augen machten alle Hollywood-Produzenten bereitwillig fünfzehn Millionen Dollar pro Film locker.
    Also lag er doch nicht mitten in diesem verkohlten, qualmenden Metall, und sie musste keinen bewusstlosen Filmstar von der Absturzstelle wegzerren. Stattdessen sah es fast so aus, als wäre das Gegenteil passiert und er hätte sie gerettet.

    Ein Teil ihres Ichs, das musste sie zugeben, fühlte sich ein bisschen enttäuscht. Stimmte es tatsächlich? Verdankte sie ihr Leben diesem Mann, der eine ihrer besten Freundinnen grausam verlassen und diesen idiotischen Satz »Ich brauche eine größere Waffe« zu einem geflügelten Wort hochstilisiert hatte?
    »Wohin wollen Sie gehen?«, fragte er. Seine tiefe, gleichmütige Stimme – fast immer sarkastisch gefärbt, was ebenfalls die fünfzehn Millionen Dollar rechtfertigte – drang seltsam gedämpft in Lous Ohren. Und da merkte sie, dass es schneite. Nur ganz leicht, aber stetige Flocken rieselten auf Jack Townsends Haar herab, das ohnehin zum Leidwesen aller Haarstylisten von L.A. weiß durchsetzt war. Wenn es schneite, klang alles gedämpft. Das hatte sie schon öfter festgestellt. Sogar die Stimmen professioneller Schauspieler, die an der Yale School of Drama studiert hatten.
    Mit einer lahmen Geste zeigte sie auf den schwelenden Haufen, der einmal ein Hubschrauber gewesen war. »Ist er … ist er …?«
    »Noch nicht. Da drüben liegt er.« Jack wies auf etwas Verkrümmtes, Kariertes, das einige Schritte entfernt unter einer schneebedeckten Kiefer lag. »Unglücklicherweise lebt er.« Und dann ließ er ihren Arm los.
    Von seinem stützenden Griff befreit, fiel sie wie ein Stein in den Schnee. Uff … Wahrscheinlich hätte sie nicht so schnell aufstehen dürfen. Sie sank in sich zusammen wie Pinocchio ohne seine Schnüre, bevor er ein richtiger Junge war. Und vermutlich, dachte sie, genauso graziös.
    »Hey.« Jack schaute auf sie herab. Die übliche Ironie
seiner Stimme wurde von einer Emotion ersetzt, die Lou in ihrem halb benommenen Zustand beinahe für Sorge hielt. »Geht es Ihnen gut?«
    »Oh …« Sie hob eine Hand, um die Tränen wegzuwischen, die plötzlich aus ihren Augen quollen. Wie aus dem Nichts. »Klar, mir geht’s gut.« Was ihr am meisten zu schaffen machte, wusste sie nicht – dass sie in der Wildnis von Alaska gestrandet war. Ausgerechnet mit Jack Townsend. Oder dass sie vor ihm weinte. »Alles in bester Ordnung. Ich bin ja an Waffen gewöhnt, die bezahlte Killer auf mich richten. Oder an Bruchlandungen mitten in der eisigen Tundra. So was passiert mir alle Tage.«
    Sofort wurde die Besorgnis in Jacks Stimme wieder von kühlem Sarkasmus verdrängt. »Das ist nicht die Tundra«, erklärte er. »Wir sind in den Bergen. Die Tundra ist flach.«
    »Wie auch immer.« Was sie da gerade erlebte, konnte sie einfach nicht glauben. »Es ist nur …« Ihr Blick schweifte wieder zu dem bewusstlosen Piloten hinüber. »Ist er sehr schwer verletzt?«
    Lässig hob Jack die breiten Schultern. »Eine Beule am Kopf. Mehr konnte ich nicht feststellen. Nicht so groß wie Ihre. Trotzdem eindrucksvoll.«
    Lou betastete ihre Stirn. O ja … Unter dem Haaransatz spürte sie eine eiförmige Schwellung. Wie attraktiv. Nicht dass es wichtig wäre, wie sie in Jack Townsends Gegenwart aussah …
    »Und das ist alles?«Vorsichtig befühlte sie die Konturen ihrer Beule und musterte

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