Perfekte Manner gibt es nicht
nie zuvor aufgefallen war …
»Glauben Sie, dass sie Sam beauftragt hat, Sie zu ermorden?«, fragte sie.
Jack blinzelte sie an. Sogar im Halbdunkel erschien ihm ihre Haut unbeschreiblich klar und rein, die Wangen weich wie Seide. »Wer?«
Ungeduldig musterte sie ihn, als wäre er ein begriffsstutziger kleiner Junge. »Meryl Streep. Womöglich ist sie sauer, weil Sie nicht mit ihr ins Bett gehüpft sind.«
»Wissen Sie …« Plötzlich wurde sein Mund trocken. »Daran zweifle ich irgendwie.«
Lou lächelte und brach noch ein Stück Erdnusskrokant ab. Nie zuvor hatte er eine Frau gekannt, die Erdnusskrokant in ihrer Handtasche mit sich herumtrug. Vielleicht eine Packung Zahnkaugummi. Vicky zum Beispiel hatte immer Echinacea dabei. Aber Schauspielerinnen, die auf ihre Linie achteten, bewahrten keine kalorienreichen Süßigkeiten in ihren Handtaschen auf. Auf der Folie las er: »Danke für die Unterstützung der Sherman Oaks Central Highschool Band.«
Sherman Oaks. Dort musste sie also wohnen. Es war so gar nicht die Gegend im südlichen Kalifornien, in der man eine Oscar-prämierte Drehbuchautorin erwarten würde. Eher in Hollywood Hills. Oder in Benedict Canyon. Nicht in Sherman Oaks. Gewiss, es war
kein schlechter Teil von L.A. Aber auch nicht besonders glamourös.
»Und Sie?«, hörte er sich fragen. »Jetzt, nachdem Barry … Sie wissen schon. Sind Sie mit jemandem zusammen?«
»Ja.« Ihre Augen verengten sich. »Mit Robert Redford. Hey, vielleicht sollten wir uns zu viert amüsieren. Sie und Meryl, ich und Bob.«
Jack genehmigte sich noch einen Schluck Whisky. »Moment mal, ich habe mich nur erkundigt. Immerhin sind Sie eine attraktive Frau, also muss …«
»Versuchen Sie es erst gar nicht«, unterbrach sie ihn, entwand ihm die Whiskyflasche und nahm einen großen Schluck.
»Was denn?« Er zuckte die Schultern. »Nur eine Frage …«
»Okay.« Mit ihrer schönen, glatten Hand wischte sie ihren Mund ab. Kirschrot. Und das ohne Lippenstift. Sie hatte keinen benutzt. Das hätte er bemerkt. »Lassen Sie’s, Townsend.«
Er stieß einen leisen, lang gezogenen Pfiff aus. In Lous Stimme hatte eine Warnung mitgeschwungen, die mehr sagte als Worte. »Tut mir leid, ich wusste nicht … Ich meine, Sie und Barry … Damals, als ich STAT drehte, gingen Sie mit ihm aus, nicht wahr? Das war vor …«
»Vor sechs Jahren«, vollendete sie den Satz und gab ihm die Flasche zurück. »Ich sagte … lassen Sie’s. Haben Sie das nicht verstanden?«
Vielleicht lag es am Cutty. Oder an der Lebensgefahr, in der sie geschwebt hatten. Oder es hing damit zusammen, dass sie in einem winzigen Raum festsa
ßen, während draußen ein Blizzard tobte und nur die Wärme ihrer Körper tödliche Frostschäden verhinderte. Oder es waren einfach diese braunen Augen voller Klugheit und Witz – und Schmerz. Jedenfalls ignorierte er ihre Warnung und platzte heraus: »Sechs Jahre, eine lange Zeit. Sie haben doch mit ihm zusammengelebt? In Sherman Oaks? Was ist passiert?«
Lou starrte ihn fassungslos an. » Was passiert ist? « Beinahe brach ihre Stimme. »Was glauben Sie denn? Ihre Freundin Greta! Das ist passiert. Schade, dass Sie das Mädchen nicht an einer kürzeren Leine gehalten haben!«
Ironisch hob er die Brauen. »So was könnte ich Ihnen auch vorwerfen. Oder bilden Sie sich etwa ein, Ihr Barry wäre völlig schuldlos gewesen?«
Wieder einmal entriss sie ihm die Whiskyflasche und schluckte eine üppige Menge. Diesmal musste sie weder husten noch würgen. Nicht einmal ihre Augen tränten. Aber ihre Artikulation war ein bisschen undeutlich. »Nur zu Ihrer Information!« Anklagend zeigte sie auf seine Brust. »Barry hätte mich geheiratet, wäre Ihre blöde Greta nicht dazwischengekommen. Zumindest war er bereit, eine feste Bindung einzugehen.«
Hastig nahm er ihr die Flasche Cutty Sark weg. Nun hatte sie offensichtlich genug getrunken. »Schätzchen, ich habe Neuigkeiten für Sie. Wenn der Typ nach sechs Jahren immer noch bindungsresistent war, hätte sich auch jetzt nichts dran geändert.«
»Zehn.«
»Wie bitte?«
»Wir waren zehn Jahre zusammen. Bis die d-d-dumme
blonde Greta Woolston aufgekreuzt ist. Und wir wollten heiraten … und ein Traumhaus in Santa Barbara bauen und Kinder kriegen. Wollten Sie und Greta Kinder kriegen?« Sie schlug ihm gegen die Schulter, überraschend kraftvoll für eine Frau. »Nun?«
»Nein.« Zur Sicherheit entfernte er die Whiskyflasche aus ihrer Reichweite. »Hey, das war ein Witz, als Sie
Weitere Kostenlose Bücher