Perfekte Manner gibt es nicht
der anderen beschattete sie die Augen und blickte über den leuchtenden weißen Schnee hinweg.
Jack öffnete die Haustür, eisige Kälte nahm ihm den Atem. »Was machst du, Lou? Hier draußen ist es verdammt kalt. Geh ins Bett zurück.«
Mit wild zerzaustem Haar schaute sie ihn an. Es war vor dem Einschlafen noch feucht gewesen. Unter der Steppdecke trug sie ein anderes von Donalds Flanellhemden und die lange Unterhose vom Vortag. Die Füße steckten in riesigen Männerstiefeln, mindestens fünf Nummern zu groß für sie. Und die Kälte hatte ihre Nasenspitze rosig gefärbt wie bei einem Kaninchen.
Noch nie im Leben hatte Jack eine schönere Frau gesehen.
»Vielleicht bin ich verrückt«, sagte sie und zeigte in die Ferne. »Aber könnte das da drüben eine Stra ße sein?«
21
»Ich kann einfach nicht glauben, dass du mich dazu überredet hast!«, klagte Jack verbittert. Stoßweise quoll der Atem aus seinem Mund wie die weißen Dampfwolken einer Lokomotive.
»Hör mal …« Angenehmer, gesunder Schweiß bedeckte Lous Haut, und sie fühlte sich sehr wohl, während sie auf ihren Skiern dahinglitt. »Ich habe es dir doch versprochen. Falls wir die Zivilisation nicht erreichen, bis es dunkel wird, kehren wir um.«
»Damit uns in finsterer Nacht ein Wolfsrudel attackiert und zerstückelt! Was für ein großartiger Plan! Musst du so rasen? Ich habe noch nie Langlauf trainiert. Nur Skiabfahrt.«
Lou spähte über ihre Schulter. Wie immer fand sie ihn unbeschreiblich attraktiv. An jedem anderen Mann würde die Strickmütze und der Wollschal (beides hatte er sich von Donald geliehen) lächerlich wirken, bei ihm sahen die Sachen hinreißend aus.
Seufzend schnitt sie eine Grimasse. Wie albern sie in ihrem eigenen winterlichen Outfit aussah, wusste sie genau. Entschlossen bohrte sie ihre Skistöcke in den Schnee. »Gibt’s auf deinen diversen Grundstücken keine Loipe?« Das Rauschen der Skier im leuchtenden Schnee gefiel ihr. Müsste sie nicht befürchten, dass jeden Moment eine bewaffnete Bande auftauchen könnte, um Jack und sie mit Blei zu durchlöchern, könnte sie das Leben sogar genießen.
Warum auch nicht? Was beim Liebesakt mit Jack geschehen war, vermochte sie sich noch immer nicht zu erklären. Wie gut die beiden Körper zusammenpassten, wie es ihm gelungen war, eine Ekstase in ihr zu entfachen, die sie nie zuvor empfunden hatte … Geschweige denn, was danach passiert war, sein unbegreifliches Angebot, sie sollte zu ihm ziehen – wahrscheinlich das Resultat zu vieler Endorphine in seinem Gehirn …
Eins musste sie allerdings zugeben – obwohl sie es nicht verstand, freute sie sich darüber.
»Nein, ich habe noch nie eine Loipe besessen. Wie sehe ich denn aus? Wie Suzanne Somers?«
Nachdenklich runzelte sie die Stirn. »Die war keine Langläuferin. Sie hat die Thighmaster-Geräte vermarktet, für die Straffung der Oberschenkel- und Pomuskulatur. Aber ich glaube, ihr Hintern ist trotzdem nicht so hübsch proportioniert wie deiner.«
»Halt meinen Arsch da raus.«
Lachend glitt sie ein paar Meter voraus. Wie sie sich eingestehen musste, war die Tour sehr anstrengend. Auch sie hatte gezögert, der Straße zu folgen – ihrer vielversprechenden Entdeckung.
Die Straße war ziemlich breit und wurde sicher von zahlreichen Einheimischen befahren, wenn sie nicht unter der dicken Schneeschicht verschwunden war. In der Straßenmitte wären Lou und Jack unübersehbare Zielscheiben, falls die Killer in einem Hubschrauber hierher flogen.
Deshalb blieben sie stets am Straßenrand, im Schutz überhängender Zweige. Da war die Spur zwar nicht so glatt wie in der Mitte. Aber sie mussten wenigstens nicht mit einem Luftangriff rechnen.
Jack war dagegen gewesen, Donalds Skier zu benutzen, die sie in einem Schrank gefunden hatten, zusammen mit zwei Paar Skischuhen. Die einen waren Lou ein wenig zu groß, die anderen Jack etwas zu klein. Doch für eine kurze Strecke wäre es kein Problem gewesen. Allerdings wollte Jack von Anfang an nicht auf die Straße fahren, um festzustellen, ob sie zu einem Highway führte, wo sie ein Auto oder einen Laster mit Funkverbindung anhalten konnten. »Warum bleiben wir nicht einfach hier?«, hatte er gefragt.
»Weil sich vermutlich einige Leute um uns sorgen«, erwiderte Lou. »Sicher glauben alle, wir wären tot. Wer weiß, was für eine Geschichte Sam erzählt hat?«
»Wieso glaubst du, dass er überhaupt irgendwas erzählt hat? Wer behauptet denn, dass er die erste Nacht
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