Perlenregen
Stinkefinger, wenn ihm irgendwas nicht passt.
„Bitte fahr nicht so schnell! Ich hab echt Schiss, wenn du so heizt!“, sage ich mit gepresster Stimme, während mein Bruder über Berg und Tal brettert.
„Das ist doch nicht schnell! Stell dich nicht so an. Überhaupt solltest du dich mal etwas entspannen. Was stimmt nicht mit dir? Wieso hast du keinen Freund? Bist du verklemmt oder so?“
„Spinnst du? Was geht dich das an? Ich bin nicht verklemmt, sondern höchstens etwas wählerisch!“
„Jetzt mal ernsthaft, Nela. Du bist hübsch, gesund und hast was im Kopf. Warum lässt sich nie ein Kerl bei dir blicken? Das verstehen wir einfach nicht. Jeder hat doch auch gewisse Bedürfnisse, oder du nicht?“
„Wer ist wir ? Unterhältst du dich etwa mit anderen über mich? Mit Mama und Papa?“
„Mit Bella natürlich. Sie findet es auch komisch, dass du so verschlossen bist. Nun krieg das bitte nicht in den falschen Hals, aber man macht sich halt so seine Gedanken.“
Diese blöde Kuh! Und ich war immer so nett zu meiner Schwägerin in spe, hab sie anfangs verteidigt, als meine Eltern über sie lästerten und in Frage stellten, ob sie zu ihrem Sohn passten. Pah!
„Deine tolle Bella sollte sich mal lieber Gedanken über ihren Kleidungsstil machen. Wenn du mich fragst, sieht sie aus, als würde sie ihre Klamotten auf dem Grabbeltisch in einem Kaufhaus zusammensuchen. Total stillos. Das verstehen wir nicht, wie man so rumlaufen kann!“
„Definiere wir !“
„Kathi und ich. Kathi findet Bella sogar richtig hässlich. Soweit würde ich nicht gehen. Sie ist nicht direkt hässlich, eher … ein Mauerblümchen. Ja, genau, ein langweiliges Mauerblümchen. Ich verstehe nicht, was du an ihr findest. Vermutlich besteht ihre Unterwäsche aus langweiligen Liebestötern in schwarz oder weiß.“
„Das reicht, Nela. Es geht dich und deiner überdrehten Freundin einen Scheiß an, was Bella für BHs trägt. Außerdem mag ich schwarze Dessous!“
Ich lache lauthals los. „Haha, erwischt! Ich wusste es!“
Ups, was macht er denn nun? Wir verlassen die Autobahn; mit quietschenden Reifen nimmt Nico die Abfahrt und fährt auf einen Rastplatz. Na ja, mir egal, ich bin froh, wenn ich mal kurz frische Luft schnappen kann, bevor ich meinem Bruder noch an die Gurgel gehe. Wie er mich aufregt!
„Und jetzt? Der Tank ist doch voll! Oder hast du Hunger?“, erkundige ich mich. Wir stehen vor einem amerikanischen Restaurant, solch einem Diner mit roten Ledersofas und Musikbox. Um uns herum parken lauter Trucks und Familienkutschen.
„Ich will nicht tanken, ich will, dass du aussteigst. Du gehst mir tierisch auf die Nerven, Nela. Ich hol dich in zwei Stunden wieder ab. Ist besser so, sonst fahr ich vor lauter Wut noch irgendwo gegen! Los, raus hier!“
„Sag mal, bist du nicht ganz dicht! Du kannst genauso gut verschwinden! Das ist nicht dein Auto, schon vergessen? Ich fahre jetzt!“
Ich spüre, wie mir rote, hektische Flecken den Hals hochkriechen. Was fällt ihm ein! Ich will gerade weiterzetern und klarstellen, dass ich jetzt Fahrer bin, da bleibt mir vor Schreck die Stimme weg. Nur etwa fünf Meter von mir entfernt betritt Leon das Restaurant. Auch, wenn ich ihn nur wenige Sekunden von der Seite und von hinten sehen kann, erkenne ich ihn sofort. Leon Ahlbeck verschwindet hinter der neonbeleuchten Glastür ins Innere des Diners. Meine Finger suchen den Türgriff, während ich wie ein hypnotisiertes Kaninchen zum Restaurant starre.
„Also, wie gesagt, ich bin in zwei Stunden wieder hier“, sagt Nico ungeduldig. Ich höre seine Stimme wie durch Watte gedämpft, steige aus und schließe die Wagent ür. Nico verlässt den Parkplatz, ich stehe einfach nur da. Was soll ich jetzt bloß machen? Es sah so aus, als sei Leon allein in das Lokal gegangen, aber vermutlich war seine Begleitung schon vor ihm hineinmarschiert. Gott sei Dank habe ich mich vorhin gut geschminkt! Ich taste nach meiner Glückskette – einem zierlichen Schmetterling, eingefasst zwischen zwei winzigen rosaschimmernden Perlen. Fast unglaublich, dass ich sie ausgerechnet heute trage. Das muss ein Zeichen sein! Ich fahre mir kurz die Haare, räuspere mich und gehe die fünf Stufen hoch zum Restaurant. Jetzt oder nie!
6
Es gibt zwei Dinge, die ich wirklich nicht leiden kann. Erstens: Rock’n’Roll. Genau diese blöde Musik schallt mir nun entgegen. Elvis Presley dröhnt aus den Boxen, sodass ich kaum die Bedienung verstehen kann. Sie soll vermutlich
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