Perlentod
schaffen machen. Und außerhalb der Pausenzeit lief ein potentieller Fahrrad-Zerstörer immer Gefahr, vom Hausmeister oder von einem Lehrer erwischt zu werden. Denn direkt gegenüber der Hausmeisterbude befand sich das Fenster des Lehrerzimmers. Genialer Platz, dachte Senta und fragte sich, woher Mo die Räumlichkeiten an der Schule so gut kannte.
Als sie das Gebäude vom Schulhof aus betrat, stieß Senta in der Pausenhalle auf einen Polizisten.
»Bitte einmal die Schultasche öffnen«, forderte sie der Beamte auf und durchsuchte routiniert ihre Sachen. Auch die Jacke musste sie öffnen und ihren Fahrradhelm zeigen. Erst danach durfte sie weiter zum Treppenaufgang. Komisch. Ob die Aktion etwas mit der vermissten Bettina zu tun hatte?
Selbst Frau Kippan, die in der ersten Stunde Mathematik unterrichtete, konnte ihrer Klasse nichts über den Grund der Polizeiaktion sagen. Stattdessen nutzte sie die Mathematikstunde, um mit den verunsicherten Schülern erneut über Bettinas Verschwinden zu reden. Frau Kippan war nicht nur die bestangezogene, sondern auch die beliebteste Lehrerin der Schule. Sie nähte sich alle Kleider selber und ihre Kolleginnen und die weibliche Schülerschaft waren sich einig, dass an ihr eine Top-Designerin verloren gegangen war. Und obwohl Mathematik eigentlich ihr Hassfach war, freute sich Senta immer, wenn die junge Lehrerin in die Klasse kam.
Miriam, Kim und auch Zehka erschienen an diesem Vormittag nicht im Unterricht. Nur Lolle und Rita tauchten auf und Senta kam es so vor, als ob die beiden sie beobachteten. Doch wann immer sie den direkten Blickkontakt mit einer von ihnen suchte, schauten diese an ihr vorbei. Senta fühlte sich zunehmend unwohl. Nach und nach beschlich sie der Verdacht, dass die Abwesenheit von Miriam und Kim vielleicht etwas mit einer neuen Attacke auf sie zu tun haben könnte.
Deshalb war sie fast ein bisschen erleichtert, als kurz vor Ende der ersten Stunde die Tür aufgerissen wurde und Zehka mit einem »’tschuldigung. Verschlafen«, in den Raum schlurfte. Senta begrüßte er mit einem mundgeruchvollen »Alles in Butter?«.
»Nicht ganz«, zischelte Senta ihm zu und berichtete von ihren Fahrradbremsen.
»Das werde ich klären«, meinte Zehka lässig und Senta biss sich zweifelnd auf die Lippe. Hoffentlich war es kein Fehler, Zehka in die Sache zu verwickeln.
»Ich will keine Gewalt«, flüsterte sie ihm zu.
»Aber ich«, brummte Zehka und wurde von Frau Kippan augenrollend ermahnt. Senta schoss der Schweiß aus allen Poren. Sie sah sich schon als Anstifterin zu einer Gewalttat vor dem Direktor stehen. Als es zur Pause schellte, wies sie ihn noch einmal zurecht: »Halt du dich da raus. Ich melde das lieber dem Direktor!«
»Ich würde niemals freiwillig zum Direx gehen«, blaffte ihr Sitznachbar zurück. »Miriam und ihre Tussen gehen mir schon lange auf den Sack. Die brauchen ’ne Abreibung. Kleinen Denkzettel. Sonst schnappen die über!«
»Vielleicht waren die das gar nicht«, entgegnete Senta.
»Ist mir egal. Die haben es verdient.«
»Aber ich will damit nichts zu tun haben. Ich bin gegen Gewalt«, redete Senta auf Zehka ein und spürte, wie leichte Übelkeit in ihr aufstieg. Sie brauchte dringend frische Luft.
»Okay, okay«, gab Zehka endlich nach. »Aber ein bisschen erschrecken wird ja wohl erlaubt sein?«
Senta nickte und ergriff die Flucht. Noch eine Sekunde länger und sie hätte ihm auf die Füße gekotzt.
Rebecca sah schon viel besser aus, als sie Senta am Nachmittag die Tür öffnete.
»Am Montag bin ich wieder am Start«, meinte sie fröhlich. »Das Kranksein nervt langsam echt. Ich freu mich fast schon wieder auf die Schule.« Rebeccas Lachen erstarb, als sie Sentas düsteren Gesichtsausdruck sah.
»Was ist los? Ist was passiert?«
»Hier guck mal«, antwortete Senta tonlos und reichte ihr einen Zettel. »Der hing nach der Schule an meinem Fahrrad.«
»Hallo Rehauge! Erst die Zuckerwatte, dann die Horrorschreck und als Nächstes vielleicht du? P.«, las Rebecca vor und nach und nach wich ihr alle Farbe aus dem Gesicht. »Hast du das einem Lehrer gezeigt?«, fragte sie aufgeregt.
Doch Senta machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich glaube nicht, dass das viel bringt. Seit Bettina verschwunden ist, sind die meisten Lehrer doch eh alle durch den Wind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die rausfinden, wer das geschrieben hat. Das müssen wir schon selbst tun. Und dann können wir damit immer noch zum Direx marschieren«, fuhr sie
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