Perlentod
Schwester in die Mitte nehmend, fuhr er voraus, während Senta das Schlusslicht bildete.
»Für mich bitte ein großes Bananaboot«, bestellte Clara ihren Eisbecher, noch bevor die Bedienung überhaupt die Karten verteilt hatte. Mo und Senta entschieden sich für Pizza-Eis und stellten amüsiert ihre gemeinsame Schwäche hierfür fest.
»Dein Tipp, mein Rad beim Hausmeister zu parken, war übrigens super«, begann Senta das Gespräch und erfuhr, dass Mo bis vor einem guten Jahr auch auf ihre Schule gegangen war.
»Und wo bist du jetzt?«, wollte Senta wissen.
»Auf einem musischen Gymnasium in der Nachbargemeinde«, antwortete Mo und Clara rief:
»Mo ist von der Schule geflogen.«
»Echt?«, staunte Senta und ihr entging nicht der düstere Blick, den Mo seiner kleinen Schwester zuwarf. Er sah aus, als hätte er ihr am liebsten die Eiswaffel quer in den Mund geschoben.
»Alte Geschichte, völlig uninteressant«, winkte er ab und Senta hakte nicht nach. Zu frisch war die Erinnerung an Mos vehemente Zurückweisung, als sie ihn aufgefordert hatte, ihr etwas auf dem Marimbafon vorzuspielen. Heute wollte sie ihn nicht so schnell verprellen. Stattdessen schlug sie vor, noch ein bisschen durch den Schlosspark zu schlendern.
Von zahlreichen Spaziergängen im Park kannte Senta einen der vielen tierischen Bewohner beim Namen. Schnurstracks führte sie die beiden Geschwister zum Papageienkäfig und rief mit lockender Stimme nach »Herrn Laruss«.
Clara und Mo staunten nicht schlecht, als ein bunter Papagei ganz dicht an das Gitter kam und sein Köpfchen an die Stäbe legte, sodass Senta ihn mit dem Zeigefinger streicheln konnte.
»Unglaublich«, fand Mo, der zwar schon oft vor den Vogelkäfigen stehen geblieben war, aber noch nie bemerkt hatte, dass einer der Papageien so zahm war.
»Ich kann einfach nur gut mit Vögeln«, erklärte Senta. »Früher hatte ich mal einen sprechenden Wellensittich. Und dass man den Herrn Laruss hier einfach nur bei seinem Namen rufen muss, hat mir einmal der Gärtner vom Schlosspark verraten.«
»Du musst Tierärztin werden«, meinte Clara, doch Senta wehrte lachend ab.
»Ich mag längst nicht alle Tiere.«
»Welche magst du denn nicht?«, wollte Clara wissen.
»Zecken, Spinnen, Kellerasseln, Skorpione und Katzen…«
»Katzen?«, Clara war ganz empört. »Das sind die süßesten Tiere von der ganzen Welt. Wir haben eine.«
»Katzen sind egoistische Mistviecher, die arme unschuldige Mäuse und Vogeljunge ermorden.«
»Das ist Naturgesetz«, mischte sich Mo ein und fand, dass man über kein Tier der Welt sagen könnte, es sei egoistisch. »Doch«, beharrte Senta auf ihrer Meinung. »Katzen sind Egoisten.« Herr Laruss verfolgte ihr Wortgefecht mit wackelndem Köpfchen.
»O Isten, O Isten«, rief er und sorgte mit seinen Sprachbemühungen für Heiterkeit.
»Herr Laruss stimmt mir zu«, fühlte sich Senta bestätigt und Mo musste lachen.
»Wollen wir eine Wette abschließen?«, schlug er vor.
Senta sah ihn neugierig an.
»Wetten, dass dich unsere Katze Suse davon überzeugen wird, dass sie und ihre Artgenossen genauso liebenswerte und entzückende Wesen sind wie dieser Papagei?«
»Das nehm ich sofort an und wette dagegen«, stimmte Senta zu. »Und um was wetten wir?«
»Wenn ich verliere, spiele ich dir so lange auf dem Marimbafon vor, wie du willst«, bot Mo an. »Und wenn du verlierst, backst du Rohrnudeln für mich.«
»Abgemacht«, lachte Senta – absolut sicher, dass sie die Wette schon jetzt gewonnen hatte.
Als die drei sich wieder auf ihre Fahrräder schwangen und in der tief stehenden Abendsonne die Allee entlangbrausten, sah Senta zum ersten Mal, seit sie nach Harting gezogen war, dass ihre neue Heimat auch schöne Ecken hatte. Zum ersten Mal bemerkte sie den kleinen Bachlauf, den man überquerte, kurz bevor es in die unbefestigte Dorfstraße ging. Und sie betrachtete erstaunt die hohen Kastanien vor dem alten Wirtshaus, das nur an Wochenenden geöffnet hatte, und das üppige Grün, das die ganze Gegend wie ein Rahmen umgab. Schön hier, dachte sie und atmete die klare Luft tief ein.
Mo und Clara brachten Senta bis zum Gartentor.
»Wann besuchst du uns?«, wollte Clara wissen.
»Euch besuchen?«
»Na, damit unsere Suse dich herumkriegen kann«, erklärte die Kleine ungeduldig.
»Am besten kommst du am frühen Abend. Da ist Suse meistens in Schmuselaune«, sagte Mo und grinste wieder einmal sein Ganz-Gesicht-Grinsen, bei dem seine blauen Augen noch intensiver
Weitere Kostenlose Bücher