Perlentod
der blöden Katze von Familie Morisson, tummelten sich dort stattdessen. Außerdem schweiften Sentas Gedanken immer wieder zu ihrem nahenden Treffen mit Mo.
Immerzu musste sie an seinen Spruch mit den hübschen Töchtern denken und sie fragte sich, ob er den nur so dahergesagt hatte oder ob er sie tatsächlich hübsch fand. Und dann fragte sie sich, warum sie sich das überhaupt fragte. Schließlich konnte ihr das doch völlig egal sein, da sie doch überhaupt nichts von ihm wollte. Und überhaupt fragte sie sich, warum Mo sich mit ihr treffen wollte und was sie anziehen sollte. Als ihre Gedanken sie zum wiederholten Male laut aufseufzen ließen, kam gerade ihr Vater ins Zimmer.
»Was seufzt du denn so?«, fragte er belustigt. »Brauchst du Hilfe in Englisch?«
Bloß nicht, hätte Senta am liebsten gerufen, zügelte aber ihre Abwehrreaktion und sagte brav: »Das ist ganz lieb von dir, Papa, aber ich muss da alleine durch.«
Für Papas Erklärungsversuche hatte sie nun wirklich keinen Nerv. Auch ihr Vater schien irgendwie erleichtert. Ob ihm die linkischen Nachhilfeversuche auch so zuwider waren wie ihr?
Sonntag, Punkt fünfzehn Uhr, läutete es an der braunen Gartentür der Herzogs. Als Senta ihr Fenster aufriss, um Mo zu begrüßen, geriet sie ins Stocken. Mo war nicht alleine gekommen. Neben ihm, mit dem Rücken zu ihrem Fenster, stand ein zierliches Mädchen im Sommerkleid. Ihre hellblonden langen Haare leuchteten im Sonnenlicht wie zu Gold gesponnenes Stroh. Mo winkte Senta fröhlich zu, während die Fremde neben ihm neugierig zum Fenster hinaufblickte.
»Einen Moment noch«, rief Senta verdattert und schloss das Fenster mit einem lauten Knall. Obwohl sie schon seit einer halben Stunde fix und fertig angezogen war, entschied sie sich für ein spontanes Umstyling. Ihre lässige Kombination aus einer engen Dreiviertelhose mit T-Shirt musste weichen. Schnell riss sie sich das Shirt über den Kopf, zog die Hose aus und kramte aus den Tiefen eines sich auf dem Boden türmenden Klamottenhaufens ein lilanes Etwas heraus, das sie sich in Windeseile überstreifte. Das knappe Mini hatte ihr die Tante vom letzten Italienurlaub mitgebracht. Senta hatte es noch nie getragen, weil sie sich darin zu sexy fand. Doch jetzt, mit Blick auf das Rumpelstilzchen, wie Senta Mos Freundin sofort nannte, war es genau das richtige Kleidungsstück. Bei einem letzten Blick in den Spiegel löste Senta zur Krönung ihres Looks das Haargummi und schüttelte ihre langen braunen Haare. Mit ihrem dunklen Teint, den großen braunen Augen und dem glatten langen Haar sah sie aus wie eine rassige Südländerin.
Ihr Look verfehlte seine Wirkung nicht. Als sie nur einen Augenblick später zum Gartentor trat, starrte Mo sie mit aufgerissenen Augen an. »Kannst du so Fahrradfahren?«, stotterte er und Rumpelstilzchen kicherte.
Senta warf der Unbekannten einen kurzen scharfen Blick zu, dann blickte sie Mo direkt in die Augen und konterte: »Keine Angst. Mein Kleid ist viel zu kurz, als dass es in die Speichen geraten könnte.«
Rumpelstilzchen schrie vor Lachen auf und entblößte dabei eine breite Zahnlücke.
»Darf ich vorstellen«, fiel Mo in das Lachen ein. »Meine kleine Schwester Clara.«
Nun war es Senta, die einen spitzen hysterischen Schrei ausstieß und einen solchen Lachanfall bekam, dass ihr die Tränen aus den Augen schossen. Etwas, das ihr häufiger in peinlichen Situationen passierte. Als sie sich etwas beruhigt hatte, fragte sie Clara nach ihrem Alter.
»In einer Woche werde ich zehn«, antwortete die Kleine und Senta fragte sich, wie blind sie gewesen sein musste, Clara für Mos Freundin zu halten.
»Du siehst schon viel älter aus«, versuchte sie, sich selbst zu rechtfertigen.
»Und du siehst aus wie eine Schönheitskönigin«, antwortete Clara bewundernd. Sofort wurde Senta rot.
»Hm«, nickte Mo und beugte sich zu Senta. »Meine Eltern mussten heute ins Krankenhaus zu meiner Oma. Clara konnte nicht mit und deshalb habe ich sie an der Backe.« Als sein warmer Atem ihre Wange streifte, zuckte Senta unwillkürlich zurück.
»Keine Panik. Ich werd euch nicht nerven«, mischte sich Clara ein und die drei machten sich auf den Weg in die Stadt. Tatsächlich ließ es sich mit dem kurzen Kleid absolut schlecht Fahrrad fahren. Senta kam sich total dämlich vor. Nach jedem Pedaltritt zupfte sie am Saum ihres Kleides und hätte sich am liebsten für ihre eigene Blödheit geohrfeigt. Zum Glück sah Mo ihre Misere nicht. Die kleine
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