Perlentod
bisschen aufgerichtet und beschnupperte ihre Hand. Dann begann die Katze plötzlich, ihr Köpfchen an Sentas Handrücken zu reiben. Senta musste kichern, als die langen Schnurrhaare auf ihrer nackten Haut kitzelten. Das Fell der Katze war unerhört weich und Senta strich Suse kurz über das Köpfchen. Sogleich schloss das verschmuste Tier die Augen und reckte sich vertrauensselig der liebkosenden Hand entgegen.
»Du kannst wirklich gut mit Tieren«, sagte Mo erstaunt. Er stand nun dicht neben Senta und schaute sie unverwandt an. Seine Nähe und der intensive Blick brachten Senta völlig aus dem Konzept.
Aus lauter Verlegenheit wandte sie sich Suse noch intensiver zu. Sie sprach sogar mit dem Tier. »Du bist ja ganz anders als all die anderen Katzen.«
»Sie lässt sich gerne unter dem Kinn kraulen«, meinte Mo, der Suse nun auch streichelte. Seine Fingerspitzen berührten dabei immer wieder Sentas Hand. Sie räusperte sich und sagte mit belegter Stimme: »Nun werde ich dich leider nie die Marimba spielen hören. Schade auch.«
»Ach«, winkte Mo ab. »Da verpasst du nichts. Ich spiele grauenhaft schlecht. Aber von den Rohrnudeln, die du für mich backst, werde ich dir gerne eine halbe abgeben.«
»Die kannst du alle haben. Ich backe grauenhaft schlecht«, erwiderte Senta lachend und fühlte sich wieder sicherer.
»Dann wirst du dir ausnahmsweise einmal ganz viel Mühe geben müssen«, sagte Mo herausfordernd. »In so einem kleinen Dorf wie dem unseren spricht es sich ganz schnell herum, wenn ein hübsches Mädchen nicht backen kann. Und dann bekommt die nie einen Kerl ab.«
Senta schüttelte empört ihren Pferdeschwanz und wollte gerade eine Diskussion anfangen, seit wann Backkunst etwas mit dem Geschlecht und dem Aussehen zu tun hätte, als Clara angerannt kam.
»Und?«, wollte sie wissen. »Wer hat gewonnen?«
»Suse«, riefen Senta und Mo gleichzeitig.
Erst jetzt bemerkte Senta, dass die Sonne schon fast hinter dem Horizont verschwunden war. Sie musste gehen.
»Du bringst aber die junge Dame noch nach Hause«, meldete sich Mos Mutter zu Wort, die gerade hinter Clara die Terrasse betrat. Im Gegensatz zu ihrem blonden Sohn hatte Frau Block feuerrote Haare, die sie zu einer wilden Kurzhaarfrisur gestylt hatte.
Während Senta Mos attraktiver Mutter zum Abschied die Hand schüttelte, schnappte sich Mo bereits seine Fahrradschlüssel. »Komm, ich fahr dich nach Hause.«
»Aber du hast ja noch nicht einmal einen Gepäckträger«, lachte Senta.
»Du bekommst einen Platz mit Aussicht«, belehrte sie Clara und deutete an, wie sie sich vor Mo auf die Querstange setzen konnte. Diese Art des Fahrservices bedeutete, dass Senta direkt zwischen Mos Armen saß und sein Gesicht ganz nah an das ihre kam. Sie spürte seinen Atem, während er in die Pedalen trat, und roch seine Haut. Ein Schauer nach dem anderen rieselte ihr am Hals hinab und sie war froh, nichts sagen zu müssen. Bestimmt hätte sie keinen Ton herausgebracht.
»Bitte absteigen, Türen schließen selbsttätig«, meldete sich Mo zu Wort, als sie vor Sentas Haus anhielten. »Darf ich dich mal was fragen?«, fuhr er ernster fort.
Senta nickte wortlos.
»War es vielleicht Miriam, die dir die Bremskabel am Fahrrad durchgeschnitten hat?«
»Du kennst Miriam?«, staunte Senta. »Woher?«
»Von früher«, antwortete er ausweichend. »War sie es?«
»Ja, wahrscheinlich.«
»So ein Miststück«, fluchte Mo.
»Wieso Miststück?« Senta wurde hellhörig.
»Dreimal darfst du raten«, zischte Mo. »Das Miststück hat behauptet, dass ich sie auf der Jungentoilette eingesperrt und sie angegrabscht hätte. Sogar meine Eltern mussten damals in die Schule kommen. Die Polsterschmidt hat dann alles daran gesetzt, damit ich die Schule verlassen musste.«
Mo schaute an Senta vorbei, seine Lippen waren ganz schmal geworden.
»Das ist unglaublich!«, rief sie. »Warum hast du dir das gefallen lassen?«
»Was glaubst du! Ich wäre vor Scham fast gestorben«, sagte Mo leise. »Miriams Lügengeschichte hat sich wie ein Lauffeuer an der Schule ausgebreitet. Die meisten haben nur das kleine süße Mädchen gesehen und mich als den fiesen älteren Schüler. Meine Freunde haben zwar zu mir gehalten und sogar noch ein Lehrer, aber die meisten standen auf Miriams Seite. Außerdem ist ihr Vater Anwalt.«
»Das ist wirklich eine krasse Geschichte. Warum hat sie das getan?«
»Meine Mutter meint, weil ich sie habe abblitzen lassen. Sie ist in den Pausen mit ihren zwei
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