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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Corry
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Exeter entfernt. Ich wollte es diesen Sommer vermieten, weil ich es vor August nicht nutzen werde, aber das erübrigt sich nun. Warum sagen Sie Ihrem Mann nicht einfach, dass Sie Zeit brauchen, um nachzudenken? Erklären Sie den Kindern, dass Sie einen Strandurlaub machen und dass Daddy zwischendurch zu Besuch kommt. Bitte, Caroline. Denken Sie darüber nach.«
    Sie bekam einen verträumten Blick. »Vertrauen Sie mir. Dort können Sie in Ruhe nachdenken. Die Luft ist anders. Und auch das Licht. Morgens werden Sie von einem Chor von Seemöwen geweckt. Und die Leute dort nehmen sich Zeit für Sie.«
    Dann schüttelte sie sich kurz, als wäre sie gerade aufgewacht. »Und wenn Sie schon einmal dort sind, Caroline, können Sie Roses Tagebücher lesen. Ich habe das seltsame Gefühl, das könnte Ihnen helfen, aus Ihrer eigenen schwierigen Lage das Beste zu machen.«

Rose
    1908–1941

8
    Später, viele Jahre später, auf Borneo, spielten sie im Club immer ein Spiel nach dem Mittagessen. Natürlich spielten sie alle möglichen Spiele, aber das, welches Rose am besten im Gedächtnis blieb, war Was ist deine erste Erinnerung? Der Grund dafür war, dass es zu den wenigen Spielen zählte, die nichts mit irgendjemandes Ehemann oder Ehefrau zu tun hatten, und dass es ihr in einem fremden Land ein behagliches Gefühl verschaffte, ihre Gedanken zu einer Zeit zurückwandern zu lassen, in der sie sich sicher gefühlt hatte.
    In ihrer ersten Erinnerung konnte sie sich selbst sehr deutlich sehen, als würde sie in einem abgedunkelten Raum auf ein an die Wand projiziertes Bild schauen. Sie war recht groß als Kind – zu groß für ihren Geschmack damals, obwohl sie sich später, als sie von mehreren Verehrern als »gertenschlank« bezeichnet wurde, damit angefreundet hatte. Aber es waren ihr Haar, nach dem die Leute sich umschauten. Ein dunkles Kastanienbraun, genau wie Mama, das weder wie das Herbstrot der Bäume noch wie das Braun der Kleidung war, die ihre Gouvernante bevorzugte. Dicke, kastanienbraune Locken, die ihr Hausmädchen jeden Morgen neu schuf, indem sie die Haare auf Stofffetzen wickelte, bevor sie hinterher ihrer Mama präsentiert wurde, die ihre Zustimmung mit einem Nicken ausdrückte.
    Einer Mama, die mit ihrer gewöhnlich strengen Miene, außer sie studierte – sehr zum Missfallen von Papa – die Ergebnisse der Pferderennen in der Abendzeitung, wenig Ähnlichkeit hatte mit der großen, selbstsicheren jungen Frau, die auf halber Treppenhöhe in einem vergoldeten Rahmen an der Wand hing. »Das war deine Mutter, als sie jung war«, hatte ihr Vater einmal mit einer seltsam gepressten Stimme gesagt, die sich anhörte, als hätte er sich den Finger im Türrahmen eingeklemmt, wie Rose das am Tag zuvor passiert war. »So habe ich sie damals kennengelernt, bevor sie sich verändert hat. Sie hat ein Nervenleiden, weißt du, das liegt in der Familie.«
    Rose wusste das bereits zum Teil von dem Getuschel der Dienstmädchen auf der Treppe und den Küchengesprächen, die bei den seltenen Gelegenheiten, wenn sie dort erschien, abrupt verstummten. Im Laufe der Jahre hatte sie die einzelnen Bruchstücke zusammengefügt. Offenbar hatte Mama bei ihrer Niederkunft große Schwierigkeiten gehabt. Danach war sie nie wieder die Alte, wenngleich sie immer noch Freude daran hatte, »die violetten Pferde anzustreichen«, was immer das bedeutete. Das Wissen, dass ihre eigene Geburt eine derartige Veränderung in ihrer Mutter bewirkt hatte, verschaffte Rose sowohl Schuldgefühle als auch seltsamerweise ein gewisses Gefühl der Macht.
    »Zurück zum Kern der Frage«, würde jemand aus der Borneo-Zuhörerschaft dazwischenrufen. »Kommen Sie zum Punkt.« Jemand würde kichern. Ein anderer würde mit einem Glas anstoßen. Also gut. Sie würde zum Punkt kommen.
    Dieses große Kind mit dem kastanienbraunem Haar saß in Roses Erinnerung immer sehr aufrecht auf einem Stuhl. Es war kein gemütlicher Stuhl, nicht wie die blassgelbe Chaiselongue, die normalerweise im Atelier ihres Großvaters am Fenster stand und auf der sich seine anderen Modelle in Pose setzten oder auch diese grässliche Amerikanerin, die ihren Arm über die Lehne legte, als würde ihr das Möbelstück gehören und nicht Roses Großeltern. Nein, dieser Holzstuhl war dafür konstruiert, dass man eine perfekte, gerade Haltung darauf einnahm, wie Mama es bei den seltenen Gelegenheiten, wenn sie etwas sagte, immer wünschte. Wegen eines traurigen Gemüts wenig zu reden war ein seltsames

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