Pern 04 - Drachensinger
Menolly neun Feuerechsen besitzt.«
Menollys scharfes Ohr vernahm Silvinas unterdrückten Ärger; auch der kleinen Königin entging er nicht, denn ihre Augen kreisten wild. Menolly schickte der Echse ein paar beruhigende Gedanken zu.
»Ich hatte das eine oder andere Gerücht gehört«, sagte Dunca.
»Aber darauf gebe ich im allgemeinen nichts.« Sie stand am Ende der Diele und trat keinen Schritt näher.
»Eine kluge Einstellung«, erwiderte Silvina. Ihr spöttischer Blick verriet, daß sie keine allzu hohe Meinung von der kleinen Pensionswirtin hatte. »Sie haben doch ein Zimmer mit Fenstern frei, nicht wahr? Ich halte es für das Beste, wenn wir Menolly da unterbringen.«
»Nein! Ich will nicht wieder so ein hysterisches Ding im Hause, das während der Sporenregen in Panik gerät und den anderen Mädchen einredet, die Fäden könnten ins Innere der Hütte gelangen!«
42
Silvinas Augen blitzten belustigt. »Da kann ich Sie beruhigen, Dunca. Menolly ist die jüngste Tochter von Yanus, dem See-Baron in der Halbkreis-Bucht. Das Leben am Meer härtet ab.«
Duncas scharfe Äuglein musterten Menolly von neuem.
»Dann kanntest du Petiron, ja?«
Menolly nickte.
Die Pensionswirtin murmelte etwas und drehte sich so rasch um, daß ihr weiter Rock bei jedem Schritt wippte. Sie ging zu einer Steintreppe, die in die hintere Wand der Eingangsdiele gehauen war. Ächzend stieg sie nach oben.
Zwei schmale Gänge, an jedem Ende durch schwache Leuchten erhellt, führten rechts und links von den Stufen ab. Dunca wandte sich nach rechts, führte sie ganz nach hinten und öffnete die letzte Tür zur Außenfassade.
»Faule Schlampen«, murmelte sie schlecht gelaunt und trat an den Leuchtkorb heran. »Alles leer!«
»Wo verwahren Sie die Leuchten?« fragte Menolly, um der Pensionswirtin ihren guten Willen zu zeigen. Flüchtig überle g-te sie, ob sie ihr Leben lang nicht davon loskommen würde, Leuchten durch enge Korridore zu schleppen und auszuwech-seln.
»Wo ist Ihre Magd, Dunca? Sie hat für die Leuchten zu sorgen, nicht Menolly«, meinte Silvina, während sie an Dunca vorbeiging und die Fensterläden aufstieß. Helles Sonnenlicht durchflutete den Raum.
»Silvina! Was machen Sie da?«
»Nun seien Sie doch vernünftig, Dunca! Wir rechnen in frühestens zwei Tagen mit einem Sporenregen. Das Zimmer riecht muffig.«
Duncas Antwort war ein Kreischen, als die übrigen Feuerechsen durch das offene Fenster hereinschwirrten und aufgeregt im Zimmer umherflatterten. Da die Wände kahl und außer einem Bettrahmen kaum Möbel vorhanden waren, suchten sie 43
vergeblich nach Landegelegenheiten. Die beiden Tantchen und Onkelchen kämpften um einen Platz auf dem Hocker, jagten aber wieder davon, erschreckt durch Duncas schrilles Geschrei.
Die kleine Pensionswirtin kauerte in einer Ecke und hatte die Röcke über den Kopf geschlagen.
Menolly befahl den Braunen, ihre Sturzflüge einzustellen, sagte Tantchen Eins und Zwei sowie Onkelchen, daß sie auf dem Fenstersims bleiben sollten, und wies Rocky und Taucher einen Platz auf dem Bettrahmen zu. Inzwischen versuchte Silvina die Wirtin zu beruhigen. Als sich Dunca endlich dazu aufraffte, Faulpelz aus der Nähe zu betrachten – der Braune ließ sich von jedem streicheln, solange das von ihm keine Anstrengung erforderte –, hatte Menolly bereits erkannt, daß die Frau von nun an ihre unversöhnliche Feindin war. Die fette kleine Person würde es ihr nie verzeihen, daß sie ihre Blamage mitangesehen hatte. Einen Moment la ng wünschte Menolly, sie wäre im Weyr geblieben, wo jeder die Feuerechsen akzeptierte.
Mit einem leisen Seufzer streichelte Menolly Prinzeßchen, während Silvina der Pensionswirtin immer wieder versicherte, daß die Feuerechsen weder ihr noch ihren Schützlingen gefährlich werden konnten – daß sie im Gegenteil jeder darum beneiden würde, neun Feuerechsen zu beherbergen …
»Neun?« quiekte Dunca erschreckt, und schon wollte sie sich wieder in ihre Ecke zurückziehen. »Neun dieser gespenstischen Biester in meinem Haus!«
»Sie sind tagsüber meist nicht da«, warf Menolly ein. »Da gehen sie ihre eigenen Wege.«
Dunca gab keine Antwort, sondern bedachte sie mit einem ängstlichen und zugleich haßerfüllten Blick.
»Wir können uns nicht länger aufhalten, Menolly. Du sollst dir eine Gitarre in der Werkstatt aussuchen«, sagte Silvina.
»Wenn Sie einen frisch gefüllten Strohsack brauchen, Dunca, schicken Sie Ihre Magd zu mir.«
Sie nahm Menolly am Arm und
Weitere Kostenlose Bücher