Pern 12 - Die Delphine von Pern
verzweifelten Blick. Bei beiden mußte die klaffende Wunde genäht werden. Ohne einen Heiler ging es nicht.
»Würde deine Tante Temma sich bereitfinden?« fragte T'lion Readis. »Ich denke, T'gellan wird verstehen, daß ich hierher geflogen bin statt zum Landsitz an der Meeresbucht. Dort wird es mehr Helfer geben.«
An seinem Tonfall erkannte Readis, daß T'lion sich der Billigung seines Weyrführers keineswegs sicher war. Aber sie brauchten Gadareth, um die Delphinkälber während des
Nähens zu halten. Die Muttertiere quietschten den Menschen zu, sie sollten helfen, und versuchten gleichzeitig, ihre Kälber zu beruhigen. Beide Muttertiere hatten oberflächliche Verletzungen, doch nichts im Vergleich zu den Wunden der leicht-gewichtigeren und weniger erfahrenen Jungtiere.
»Ich verstehe, wenn du nicht bleiben kannst«, meinte Readis.
»Mach dir wegen mir und T'gellan keine Sorgen«, kam T'lion plötzlich zu einem Entschluß. »Es gibt genug Menschen, die anderen Menschen helfen, aber nur wenige, die den Delphinen helfen.«
»Ich dachte, die Delphine würden bei Stürmen einfach durch die Wellen reiten«, bemerkte Kami schüchtern, und in ihrem hübschen Gesicht kämpften widersprüchliche Emotionen.
»So ist es in der Regel auch«, antwortete Readis.
T'lion schüttelte den Kopf. »Das war ganz und gar kein normaler Sturm! Soll ich dich zur Siedlung bringen?«
»Flieg allein zur Siedlung, T'lion, und bitte Temma mitzukommen. Sie kann gut Wunden nähen. Hat genug Übung
gehabt, sagt Onkel Nazer. Und du fliegst mit, Kami«, erklärte Readis, da er sah, daß das Mädchen sich zuviel Sorgen um ihr Zuhause machte, um hier nützlich zu sein. »Ich bleibe bei den 286
Patienten.«
»Kommst du allein zurecht?« fragte Kami, die wieder
schwankte, ob sie nicht Readis ihre Hilfsbereitschaft unter Beweis stellen sollte, obwohl sie sich bei dem Gedanken quälte, in dieser Notlage nicht ihrer Mutter zur Seite zu stehen.
»Aber ja«, versicherte Readis munter. Er stand im hüfthohen Wasser, einen verletzten Delphin auf jeder Seite, umgeben von den Muttertieren und den Delphinen, die die Kälber stützten.
Temma hatte zuviel mit den verletzten Menschen zu tun, um sich für die Delphine Zeit nehmen zu können. Sie versprach jedoch, sie würde sobald wie möglich kommen. T'lion bedankte sich und bat Gadareth, ihn zum Ost-Weyr zurückzubringen.
Dort hatte man die drei Sturmtage wesentlich besser überstanden als an anderen Orten. Er würde Persellan zum Mitkommen bewegen.
Doch Persellan war scho n zum Landsitz an der Meeresbucht gebracht worden.
»Braucht er Nachschub? Wie schlimm steht es dort?« fragte Mirrim mit sorgenvoll gerunzelter Stirn.
»Die ganze Küste entlang sieht es schlimm aus, Mirrim«, entgegnete T'lion. »Ich nehme einfach mit, was ich brauche«, fügte er hinzu, und da Mirrim nicht weiter nachfragte, betrat er das Haus des Heilers und versorgte sich mit allem, was Readis und er benötigen würden. Es gab mehr als genug, und er würde Persellan später Bescheid sagen. Außerdem nahm er das wertvolle Buch, das Persellan aus Akkis medizinischen Dateien zusammengestellt hatte. T'lion hatte Persellan oft genug dabei zugesehen, wie er die Wunden von Delphinen versorgte, so daß er sich eine Vorstellung davon machen konnte, wie er vorgehen mußte; es würde allerdings beruhigend sein, sich auf etwas Gedrucktes stützen zu können.
Er hatte nicht das Gefühl, lange fort gewesen zu sein, doch das Warten war Readis wohl wie eine Ewigkeit erschienen, denn als Gadareth landete, rief er ganz außer sich: »Was hast 287
du so lange gemacht? Ich hatte schreckliche Schwierigkeiten, die Kälber von Blutsaugern freizuhalten. Ist Temma nicht mitgekommen?« Readis Gesicht wurde bleicher und spiegelte fast Panik wider.
»Ich habe alles Notwendige aus Persellans Haus mitgebracht und außerdem sein Buch«, erklärte T'lion und zog Reitausrüstung und Kleider bis auf die Unterkleidung aus. Ein wenig zitternd, denn im Wind lag noch ein Rest der Sturmkälte, watete er ins Wasser hinaus, wobei er Buch und Nähwerkzeug hochhielt. »Komm, Gaddie, dich brauchen wir auch.« Gadareth folgte ihm, hielt dabei ein Auge auf die Rückenflossen und die aus dem Wasser ragenden Delphinköpfe gerichtet und bewegte sich äußerst vorsichtig.
»Was ist mit Temma?« fragte Readis beunruhigt. »Ich habe noch nie irgend etwas genäht. Du etwa? Und ich mußte Angie die Eingeweide wieder in den Bauch zurückschieben.« Angie war das ältere
Weitere Kostenlose Bücher