Persische Nächte: Erotischer Roman (German Edition)
Zwischen ihnen waren viele, viele andere Kamele, die geheimnisvolle Pakete und Säcke trugen.
Neben dem Bärtigen gab es nur noch eine weitere Person: einen Mann mit Glatze, der am Ende der Karawane lief. In der Hand hielt er einen langen Stock mit einem Dorn am Ende, mit dem er wahlweise Kamele schlug, die aus der Reihe auszubrechen drohten, oder einen der Jungen im fahrenden Käfig anstieß, wenn dieser zu laut geweint hatte. Am Anfang hatten sie alle noch lauthals geschluchzt und nach ihren Müttern gerufen, doch jetzt war selbst das Weinen leiser geworden. Seit drei Tagen waren sie in der Wüste unterwegs, und die Kinder waren erschöpft.
Kian dachte an seine Mutter, die ebenfalls geweint hatte, als der Vater das Geld für ihn entgegengenommen hatte. Sein Vater, der große, starke Mann, hatte sich zu ihm gekniet und ihm erklärt, dass es zu viele Kinder gab. Die Ernte war schlecht gewesen in den letzten Jahren, und die Überfälle der Banditen häuften sich. Sie hatten kein Geld und nicht genug Essen, um alle satt zu machen. Deswegen musste Kian, der Jüngste der Söhne, gehen. Sein Vater hatte ihm gesagt, dass Kian es an dem anderen Ort gut haben würde, besser als zu Hause, doch er war sich nicht sicher, ob das stimmte. Ihm fehlte das Grün der Oase schon jetzt, ebenso wie seine Freunde und seine Mutter. Aber er hatte keine Wahl gehabt.
So saß er jetzt in dem Käfig mit den anderen und entfernte sich mit jedem Schritt der Kamele weiter von dem Ort seiner Kindheit. Gegen Abend wurde der Durst unerträglich, und die Wasserbeutel, die der Mann mit der Glatze ihnen hin und wieder gab, reichten schon lange nicht mehr. Bei Sonnenuntergang hielt die Karawane am Rand der Wüste in einem winzigen Dorf, und sie schlugen ein Lager auf. Die Jungen wurden aus dem Käfig gelassen – doch zuvor schärfte ihnen der Bärtige ein, dass es nichts nützte wegzulaufen; um sie herum gab es nur Wüste, und ohne genügend Wasser und ein Kamel war es unmöglich, sie zu durchqueren.
Einer der Jungen versuchte es trotzdem, kaum dass der Bärtige sich abgewandt hatte. Kian hatte ihn nie wieder gesehen. Der Rest von ihnen erhielt Wasser und Essen. Der Bärtige und sein Begleiter verschwanden in einem der Häuser, und die Jungen blieben bei den Kamelen. Sie sollten bei den Kamelen schlafen; so konnten sie sich wärmen. Kian legte sich zu einem Kamel, dass weniger bissig schien als die anderen, doch der Platz war begehrt. Einer der anderen Jungen, wenige Jahre älter als Kian selbst, kam zu ihm. »Das ist mein Platz.«
»Nein.« Kian ballte die Hand zur Faust. Der andere Junge überragte ihn um mindestens einen Kopf, und er war offensichtlich stärker. Dennoch würde Kian seinen Schlafplatz nicht kampflos aufgeben.
Die Antwort schien dem anderen nicht zu gefallen, denn er schob das Kinn vor und machte einen bedrohlichen Schritt auf ihn zu. »Nein? Rede keinen Unsinn; verschwinde du kleine Ratte!«
Kian schüttelte nur den Kopf. Er stemmte die Füße fester auf den Boden und presste die Lippen aufeinander. Der größere Junge verzog wütend die Mundwinkel und holte mit dem Arm aus, die Faust fest geballt. Kian wappnete sich für den Schlag, der kommen würde, doch stattdessen hörte er einen lauten Schmerzensschrei. Er sah auf – das Gesicht des Jungen war blutverschmiert. Kian grinste breit und lachte schadenfroh, als ihn plötzlich ein Stein auf den Mund traf. Er schrie ebenfalls auf und sah sich nach dem Übeltäter um.
Während der ältere Junge sich noch das blutende Kinn hielt und schrie, suchte Kian mit Blicken nach dem Stein, der ihn getroffen hatte. Als er ihn gefunden hatte, wusste er, aus welcher Richtung er geflogen gekommen war – wie ein Wiesel rannte er los, um den Übeltäter zu fassen. Hinter einem Findling wurde er fündig: Eine vermummte Gestalt, kaum größer als er selbst, rannte vor ihm davon. Sie war flink und schmal – Kian hatte Mühe, ihr zu folgen. Schließlich war er doch schneller; er sprang und warf sich mit seinem ganzen Gewicht gegen den Steinewerfer, der ins Straucheln geriet und vornüberfiel. Mit einem Triumphschrei stürzte Kian sich auf die am Boden liegende Gestalt, drehte sie um und holte schon aus, als er einen langen Zopf sah, der sich unter dem Schal hervorschob.
Er zog den Stoff ganz zur Seite und blickte in das ängstliche Gesicht eines Mädchens, das wild atmete und ihn an ein in die Enge getriebenes Tier erinnerte. Sie würde kämpfen, wenn er es tat. Aber sie hatte ihn
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