Persische Nächte: Erotischer Roman (German Edition)
die grausame Härte, die den Rest seines Gesichts ausmachte. Eine winzige Narbe störte die Perfektion seines Gesichts; eine kleine Narbe im Mundwinkel. Blass und dünn. Sie verunstaltete ihn nicht, sondern passte zu ihm. Shahira erschrak. Sie wusste, woher sie dieses Gesicht kannte, ebenso wie die Narbe. Sie war dabei gewesen, als er sie erhalten hatte.
In diesem Moment schlug der Djinn die Augen auf.
Teil 2
»Wer in die Wüste geht,
kommt als ein Anderer zurück.«
Rückkehr
Es schmerzte. Man hatte ihm beigebracht, dass es keinen Schmerz gab, dass der Schmerz eine Illusion war, die er ignorieren musste, um ihr nicht zum Opfer zu fallen. Die meisten seiner Brüder kauten oder rauchten Haschisch, um den Schmerz zu betäuben. Der Rausch war ein angenehmer Nebeneffekt, den die Männer genossen, ebenso wie die Feste, die sie feierten.
Kian war sich nicht sicher, ob ihm dies alles fehlen würde oder ob er froh sein sollte, dass alles vorbei war. Falls sie ihn töteten, würde auch der Schmerz vergehen. Sie hätte ihm das Herz herausreißen können, sie hätte ihn erstechen oder ihn quälen können, aber nichts hätte so sehr geschmerzt, wie der Augenblick, in dem er sie hatte verlassen müssen.
Shahira hatte sein Gebot gebrochen, und er wusste, dass sie ihn erkannt hatte. Ihr Blick hatte alles gesagt, es brauchte keine Worte. Das war es, was er gefürchtet hatte, aber wenn er ehrlich zu sich war, hatte er es kommen sehen. Seit mehreren Tagen lebte er mit ihr zusammen, wie ein Mann mit einer Frau zusammenleben sollte. In diesen Tagen hatte er Glück erfahren, echtes Glück. Zum ersten Mal, seit er sich erinnern konnte. Aber irgendwann musste sie sein Geheimnis herausfinden. Er war nur froh, dass es an dem Tag geschehen war, an dem sie ihn ohnehin verlassen wollte.
Jetzt war sie sicher schon auf dem Weg nach Isfahan. Die Karawanen aus der Wüste nahmen oft Menschen aus den Grenzgebieten mit. Der Dolch, den er ihr gelassen hatte, würde als Bezahlung sicherlich ausreichen, sodass sie die Stadt des Kalifen sicher erreichen würde.
Er sah, wie sich nach den Tagen der Trauer zum ersten Mal wieder Shahiras Lebensgeister regten. Shahira hatte ein Ziel gefunden, auf das sie sich konzentrieren konnte, und genau das brauchte sie.
Nicht ihn.
Er biss die Zähne zusammen und lief weiter. Es war kein weiter Weg bis zur Festung der Bruderschaft, aber die Zeit bis zu seinem Ziel wurde ihm unerträglich lang, da er seinen Gedanken an Shahira nicht entkommen konnte. Er zwang sich, seinen Geist leer werden zu lassen, und verfluchte sich zum ersten Mal dafür, dass er das Angebot seines Bruders Murhat nicht angenommen hatte. Der hatte ihm vor seiner Abreise ein Paket mit haschgetränkten Blätterbällchen gegeben, das er auf seinem Weg kauen konnte. Kian war kein Freund des Rauschs, und er hatte abgelehnt, obwohl Murhat ihn damit bedrängt hatte. Jetzt wünschte er sich nichts sehnlicher als eines dieser Bällchen, um vergessen zu können.
Aber es half nichts. Immer dachte er nur an Shahira.
Kian zog den Mantel enger um sich und senkte den Kopf, als ihm auf seinem Weg drei Reiter entgegenkamen. Sie trugen das Wappen des Kalifen und schwere Schwerter an der Seite. Als sie ihn sahen, nickten sie ihm zu, und er brummte einen Gruß, ehe er weiter ging. So nah an der Festung war das Risiko entdeckt zu werden groß. In letzter Zeit waren einige der Männer des Kalifen besonders auf der Hut und suchten gezielt nach Schlupfwinkeln der Bruderschaft. Dabei vernachlässigten sie die Sicherheit der Straßen und ihrer Karawanen. Die Menschen beklagten sich, doch Kian hatte oft genug gehört, dass der Kalif schon lange nichts mehr selbst entschied. Und sein Wesir schien es für wichtiger zu halten, die Bruderschaft zu finden, als für die Sicherheit seines Volkes zu sorgen.
Kian zog die Schultern in die Höhe und sah auf den Weg vor sich. Das Land zerfiel, und schon immer waren es die einfachen Menschen, die am meisten darunter zu leiden hatten. Wie seine Eltern. Wie er selbst.
Kian wischte sich immer wieder über das Gesicht und schluchzte. Die anderen Jungen im Käfig, alle zwischen sechs und zehn Jahre alt, wie er selbst, weinten ebenfalls oder versuchten durch harte Mienen zu verstecken, welch große Angst sie hatten. Sie alle waren gekauft worden, von dem bärtigen Mann an der Spitze der Karawane, die durch die Wüste zog. Er saß so weit entfernt von ihnen auf einem Kamel, dass Kian nicht einmal die Gestalt des Mannes erahnen konnte.
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