Persische Nächte: Erotischer Roman (German Edition)
hat keine der Frauen, die dort waren, angerührt; er hat einfach nur zugesehen.«
Der Kommandant hob den Kopf und tauschte einen Blick mit dem Kalifen, der sich seit Beginn des Gespräches nicht mehr gerührt hatte. »Einen solchen Mann haben wir nicht unter den Toten gefunden, Sajidi.«
»Das heißt, er konnte fliehen«, sagte der Beherrscher der Gläubigen.
»Er ist gemeinsam mit Kian geflohen«, sagte Shahira.
»Hat er ihm zur Flucht verholfen?!«
Sie nickte.
Der Kommandant schien zu überlegen. Dann stand er auf, beugte sich zu dem Kalifen und murmelte etwas, was Shahira nicht verstand. Der Kalif hob die Hand und schwenkte die Finger leicht; die Antwort schien dem Kommandanten zu genügen.
»Du wirst hierbleiben«, sagte er und seine Stimme klang streng. »Es wird für dich gesorgt werden. Du kannst dich hier frei bewegen, wirst aber die Mauern des Palastes nicht verlassen.«
»Aber … wieso?«
»Das wirst du früh genug erfahren. Solltest du weglaufen wollen, werde ich dich persönlich wieder zurückholen und bestrafen. Ist das klar?«
Shahira nickte überrumpelt. Sie hatte in den Palast kommen und den Kalifen auf das Unglück ihres Dorfes aufmerksam machen wollen, damit Rache geübt werden konnte. Aber wie es aussah, war der Weg zur Rache schon lange bereitet gewesen. Es ging um etwas Größeres, das Shahira erst noch erfassen musste. Das konnte sie sicher am besten im Palast, weswegen es ihr nicht schwerfiel, dem Befehl des Kommandanten nachzukommen. »Ich werde nicht weglaufen«, fügte sie hinzu, und der Kommandant sah zufrieden aus.
Der Kalif erhob sich aus seinem Stuhl und verließ den Raum, ohne Shahira noch eines Blickes zu würdigen. Der Kommandant nickte ihr freundlich zu und folgte seinem Herrn. Sie blieb allein zurück.
Gegen Mittag wurden Shahira Speisen gebracht: gebratenes Fleisch, Pilaw mit Erbsen, Safran und Stücken von eingelegten Auberginen und Brot. Dazu Wein und Feigen. Sie kostete von allem und genoss den feinen Geschmack der Speisen. Sie war dankbar dafür, dass sie für den Moment eine Unterkunft gefunden hatte, auch wenn sie wusste, dass der Kommandant noch etwas mit ihr vorhatte.
Viel schwieriger war es, ihre widerstreitenden Gefühle zu verstehen. Kian hatte sie verraten, und doch hatte er sie nicht getötet, als die Gelegenheit da war. Er war ein Assassine, ein gefährlicher, kaltherziger Mann, und doch hatte er ihr das Leben gerettet und ihr Nacht für Nacht Gefühle geschenkt, die sie selbst niemals hätte entfachen können. Sie vermisste ihn.
Egal, was sie über ihn wusste, egal, was er getan hatte, sie konnte nicht aufhören an ihn zu denken.
Als es langsam Abend wurde, hielt Shahira es nicht mehr in ihrem Zimmer aus. Sie musste sich bewegen und etwas anderes sehen als die ewig gleichen Wände. Shahira griff nach einem weiteren Schal, den sie sich um die Schultern schlang, und verließ das Zimmer. Der Kommandant hatte gesagt, sie dürfe den Palast nicht verlassen, nicht, dass sie ewig im Zimmer bleiben müsse.
Der Marmorboden des Flurs fühlte sich kühl unter ihren Füßen an; die Kälte drang sogar durch die Sohlen ihrer Schuhe. Shahira lief den Flur entlang und sah sich um – sie kam an einigen verschlossenen Türen vorbei, hinter denen seltsame Geräusche erklangen, die sie nicht zuordnen konnte. In manchen hörte sie das Rasseln von Ketten, in anderen Peitschenhiebe. Rasch ging sie weiter, bis der Flur auf einen anderen traf. Dieser war reicher geschmückt als der letzte – hier war der Boden mit bunten Mosaiken ausgelegt, und durch die Fenster sah man auf einen üppigen Garten im Innenhof. Der betäubende Duft der Nachtblumen drang in Shahiras Nase, und sie seufzte. Hier war es still, bis auf das Piepsen der Vögel, die in den Baumkronen im Innenhof saßen, und das leise Rascheln der Blätter.
Shahira hatte noch nie so viele Pflanzen auf einem Fleck gesehen, und sie trat an eines der Fenster, um den Anblick der bunten Blüten rund um die sorgsam angelegten Pfade zu genießen. »Was machst du denn hier? Willst du den ganzen Spaß verpassen?«
Die Stimme war tief und doch weiblich. Erschrocken sah Shahira auf und blickte einer Frau ins Gesicht, deren Schönheit alles übertraf, was Shahira jemals gesehen hatte. Ihre Haut war dunkler als ihre eigene und ihr Gesicht so ebenmäßig, dass es unmöglich von jemand anderem als einem Künstler geschaffen worden sein konnte. Die mandelförmigen Augen glichen schwarzen Perlen, und die vollen Lippen waren so
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