Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
schlafen.
Der Navigator schlich weiter. Der lange Gang endete in einem flachen, aber weiten Raum mit seltsamen, metallenen Simsen und Verzierungen, die auf seltsame Weise mechanisch wirkten, so, als sei eine Ranke in ein Uhrwerk gewachsen und wäre eine Verbindung mit diesem eingegangen.
Der Navigator hatte sich ursprünglich ein Versteck suchen wollen, um dort zu warten, bis die Männer von ihrer Täuschungsreise zurückkämen, aber das, was da in der Mitte des Raumes zu sehen war, ließ ihn seinen Plan umwerfen.
Auf einem säulenartigen Podest lagen die Drachenkästchen. Seine scharfen Augen erkannten sie sofort, selbst im Halbdunkel dieses Raumes. Der Navigator erstarrte. Die Falle war aufgestellt und er war hineingetappt. Die Gretchenfrage war nun, wie weit er hineingetappt war. Hatte er die Falle schon ausgelöst? Wie sah sie aus und wie war ihre Funktion. Der Navigator sah sich um, ohne seine Füße zu bewegen. Er versuchte sich ein Bild des Raumes zu machen, von der Anordnung der riesigen Verzierungen und Metallteile. Da waren die sternförmig zulaufenden Rippen oder Simse, eiserne und bronzene Räder und Stangen, die zwar verspielt waren in ihrer Gestaltung, aber nichtsdestotrotz eine Funktion zu erfüllen hatten.
Wenn er nun all das zueinander in Bezug setzte, kam er zu dem Schluss, dass es eine Art Käfigfalle sein musste. Ein Käfig aus gebogenen Segmenten, im Boden verborgen, sollte sich um ihn schließen, sobald er versuchen sollte, sich der Kästchen zu bemächtigen. Die Kästchen wären dann mit ihm in dem Käfig eingeschlossen. Sie waren leer. Der Holländer und sein deutscher Freund hatten ihr Geheimnis gelöst und sie geöffnet! Niemals würden sie das Risiko eingehen, dass er im Inneren eingeschlossen sein würde und dort an den Inhalt der Kästchen kommen könnte.
Der Navigator zog sich Schritt um Schritt zurück und verließ den Raum mit der Falle auf dem außen umführenden Gang. Dort kam er zu einer Treppe, die nach oben führte. Seine nasse und kalte Kleidung spannte sich steif, als er die Stufen hinaufstieg.
Rebekka fror erbärmlich. Sie hatte Hunger, ihr war kalt, sie war völlig durchnässt und hatte seit zwei Tagen nicht geschlafen und es war noch ein Halbtagesritt bis Antwerpen, wo sie die Spur der Verfolgten hoffte wieder aufnehmen zu können. Noch zehn oder zwölf Stunden im Sattel.
Rebekka fielen vor Erschöpfung die Augen zu und sie schlief im Sattel ein. Ohne den Zwang der Zügel blieb ihr Pferd nach einer Weile stehen und begann zu grasen. Rebekka rutschte nach vorn und fiel aus dem Sattel, prallte schwer auf den Boden. Ihre Verkleidung dämpfte den Sturz, doch der Griff ihres Falchions hinterließ einen großen Bluterguss an ihrer Hüfte.
Der Fall hatte sie wieder etwas wacher gemacht, aber Rebekka sah ein, dass es keinen Sinn hatte. Sie zog sich in den Sattel und ritt weiter.
Eine Meile weiter kam ein Schatten im Regen in Sicht, wuchs, wurde eckiger und stellte sich als Gasthof heraus.
„Zum kopflosen Mann“ stand auf dem ovalen Schild. Rebekka nahm das als Zeichen und lenkte ihr Pferd auf den Hof.
Der Wirt, ein dicklicher Mann mit vielen Lachfalten, erzählte ihr die Geschichte vom Skelett ohne Kopf, das beim Bau des Gasthofes vor vielen hundert Jahren gefunden worden war und ihm seinen Namen gegeben hatte. Er erzählte auch gleich mit, wer heute so alles durchgekommen war und wer geblieben war und dass der Herr der Wasserburg eine Weile außerhalb sein würde, in Antwerpen, wie man hörte. Der Mann war eine sprudelnde Quelle von Informationen und jede einzelne ließ Rebekka innerlich aufhorchen. Monsieur Anquin konnte man nichts ansehen. Die Maske ließ nur selten einen Blick auf die Augen erhaschen, die im Schatten funkelten. Rebekka beschloss, sich ein wenig in der Gegend umzusehen. Ein glückliches Geschick hatte bewirkt, dass ihre Müdigkeit sie hierher geführt hatte, denn die Beschreibung des Holländers und seines Begleiters, eines deutschen Freiherrn, waren so präzise, dass Rebekka sicher war, die Männer gefunden zu haben, hinter denen sie her war und von denen sie annahm, dass einer von ihnen der Vampir war, der ihre Schwester getötet hatte.
„So, Monsieur Anquin, Euer Zimmer!“ Der Wirt schob Rebekkas Reisetasche auf den Stuhl und trat in den Flur zurück. „Habt Ihr noch Wünsche?“
Mit der tiefsten Stimme, derer sie fähig war, antwortete Rebekka ihm.
„Ich danke Euch, aber ich will vorerst nur ruhen. Die letzte Nacht bin ich durchgeritten.
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