Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
hatte, dass sie gut geölt war und nicht in den Angeln knarrte. Auch die Diele machte keine großen Geräusche, als sie ihr Gewicht vorsichtig darauf verlagerte.
Rebekka schloss das Zimmer wieder ab und verstaute den Schlüssel in ihrer Hose. Die Treppe knarrte bei jedem Schritt tief und unwillig, als beschwere sie sich, zu nachtschlafener Zeit betreten zu werden. Rebekka brauchte ihre ganze Geduld, um so lautlos wie möglich hinunter zu kommen. Sie schlich am Gesindetrakt vorbei, aus dem lautes Schnarchen ertönte, vorbei an der Küche zum Hinterausgang. Das Schloss dort war uralt und stellte kein Hindernis dar, obwohl Rebekka als Einbrecherin keinerlei Übung besaß. Kaum hatte sie den einfachen Dietrich aus gebogenem Draht im Schloss gedreht, sprang die Tür auf, und genauso leicht hatte sie die Tür wieder hinter sich verschlossen.
Es regnete noch immer. Ein schwacher Wind war aufgekommen und trieb die leichten Tropfen schräg vor sich her. Es war Vollmond, aber am Himmel war nur wolkenschwarze Dunkelheit. Rebekka wusste, in welcher Richtung die Wasserburg des Holländers liegen musste. Der geschwätzige Wirt hatte ihr in unglaublich kurzer Zeit unglaublich viel erzählt.
Der durchweichte Weg führte sie über eine Brücke und aus dem Dorf heraus. Hinter der Brücke fiel ihr ein heller Schein auf. War dort schon die Burg? Es war ein Fußmarsch von einer halben Stunde, hatte der Wirt behauptet und er war sicher von trockenem, sonnigem Wetter ausgegangen. Bei den jetzigen Gegebenheiten würde man eher eine dreiviertel oder gar ganze Stunde benötigen, um zur Burg zu kommen. Neugierig, aber vorsichtig näherte sie sich dem Licht. Schon aus einiger Entfernung konnte sie die gedämpften Stimmen mehrerer Männer hören, aber der niederrauschende Regen machte es unmöglich, auch nur ein Wort zu verstehen.
Im Schutze eines Buschwerks schlich Rebekka sich näher an die Stimmen heran. Unter den Zweigen konnte sie die Schatten von Rädern erkennen. Eine der Stimmen, die von den Männern an dem kleinen Lagerfeuer herrührten, die sich unter einer aufgespannten Plane vor dem Regen schützten, begann ein Lied zu summen. Die anderen fielen leise mit ein. Es schien englisch zu sein, eine Sprache, die Rebekka nicht beherrschte. Sie sprach französisch und niederländisch neben ihrer Muttersprache, doch das Englische hatte ihr Vater sie nicht gelehrt, obwohl sie wusste, dass er diese Sprache leidlich gesprochen hatte.
Rebekka hielt immer ein wachsames Auge auf die Männer am Feuer, doch machte keiner von ihnen Anstalten, sich dem strömenden Regen auszusetzen. Die Räder, die vor ihr aufragten, gehörten offenbar zu einem Fuhrwerk, nicht zu einer Kutsche. Was transportierten die Männer da? Rebekka rutschte nahe genug an die hintere Ladefläche heran, um einen Blick auf die Ladung werfen zu können. Eine Plane war darüber gespannt und verhinderte, dass Rebekka sehen konnte, was da auf dem Wagen war. Sie zog ihr Falchion aus dem Gürtel und schob die flache, breite Klinge unter die nasse Plane. Ein Kratzen ertönte, nur leise und für die singenden Männern nicht zu hören, wie Eisen auf Stein.
Rebekka hob ihren Kopf gerade soweit, dass ihre Augen über die Fläche schauen konnte, und hob die Plane mit ihrer Klinge hoch. Was sie sah, verwunderte sie. Sie sah eine große, eine sehr große Steinfigur. Roh behauen und wenig ansprechend in der Form.
Rebekka ließ die Plane wieder herunter, zog ihr Falchion zurück und kroch zurück, unter den Büschen hindurch und auf den Weg. Dort konnte sie sich endlich wieder aufrichten. Die gebückte Haltung war sehr ermüdend in ihrer Verkleidung. Ungesehen von den noch immer singenden Männern schritt sie zurück zu der Weggabelung, an der sie den Lichtschein gesehen hatte. Jetzt bog sie auf den Pfad ein, der zur Wasserburg führen musste. Die Steinfigur ging ihr nicht aus dem Kopf. Vielleicht beförderten die Fuhrleute den Steinklotz zu einer Baustelle, wo ein Steinmetz aus ihm die endgültige Figur herausschlagen würde, dachte sie. Das würde noch Sinn machen, denn der Transport einer fertigen Figur war gefährlicher, denn so war die Figur nicht so zerbrechlich wie in fertigem Zustand.
Der Wind frischte merklich auf und trieb den Regen schräg von vorn in ihr Gesicht. Rebekka zog ihre Hutmaske tiefer in die Stirn. So fungierte die Hutkrempe wie eine Regenrinne. Ein steter, dünner Strahl ergoss sich genau vor ihren Augen und floss in die Pfützen, aus denen der Weg zu bestehen
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