Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
Burghofes und der Brücke war einem schmatzenden Saugen gewichen, denn die Wege waren aufgeweicht vom andauernden Regen der letzten Wochen und klebten an Speichen und Felgen.
Der Nebel, der über der ganzen Flussaue schon seit dem frühen Morgen lag, begann in feinen Tröpfchen herunterzurieseln. Sprühregen bildete Tropfen, die an den Scheiben der Kutschenverglasung herunterrannen. Bald setzte wieder Regen ein. Rebekka konnte sich nicht erinnern, jemals schon eine so lange Regenperiode erlebt zu haben. Im Norden war es nichts Ungewöhnliches, dass es lange Tage voller Wasser gab, aber noch nie hatte es über Wochen nur geregnet, geregnet und noch einmal geregnet! Nieselregen folgte auf Wolkenbrüche, denen ein tagelanger Dauerregen vorausgegangen war, und danach kamen Sturmböen, die die Tropfen fast waagerecht über das Land getrieben hatten. Sturzbäche, Dauerregen, Wolkenbrüche, das war das Wetter der letzten Wochen gewesen. Im besten Falle hatte der Regen kurz ausgesetzt, so wie heute Morgen, und es zog dann meist sofort Nebel auf, aber schon kurz danach setzten die sintflutartigen Regenfälle wieder ein. Rebekka hätte sich über ein kleines Stück blauen Himmels schon gefreut, nur ein winziger, azurfarbiger Flecken zwischen den grauen Wolkenbänken, die sich über das Firmament schoben. Ein Funken der Hoffnung auf bessere Zeiten. Ein kleiner Lichtblick, ein Sonnenstrahl im Dunkeln. Aber es regnete weiter.
Ein Donnerschlag ließ Rebekka zusammenzucken. Unwillkürlich sah sie hoch, genau in die tiefen Augen ihres Gegenübers.
Seit wann beobachtete der Vampir sie wohl schon? Hatte er sie die ganze Zeit über schon angesehen? Sie hatte aus dem Fenster auf die vorbeiwabernden Nebelfetzen gestarrt und den Blickkontakt wohlweislich vermieden.
Und sie konnte ihre Augen nun nicht abwenden.
Eine heiße Welle kroch ganz langsam in Rebekka hoch. Sie schloss ihre Augen und atmete tief durch.
„Diese Maske ist sehr zweckmäßig“, sagte Georgios. „Ich vermag kaum Eure Augen zu erkennen, was sehr schade ist!“
Rebekka spürte, wie die Welle ihren Nabel erreichte. Richtig, sie trug ihre Maske! Sie hatte sich schon so sehr an das ständige Tragen gewöhnt, dass sie vergessen hatte, dass sie sie trug. Und offensichtlich erfüllte sie ihren Zweck. Der Vampir hatte ihre Maske studiert, nicht ihr Gesicht betrachtet. Das konnte er gar nicht. Der schmale Schlitz zwischen Hutkrempe und ledernem Gesichtsschutz ließ immer einen Schatten über ihren Augen liegen.
„Wir sind hier vor den Blicken Neugieriger geschützt, Fräulein Rebekka, Ihr könnt also auf Eure Verkleidung verzichten!“ Georgios lächelte und lehnte sich zurück. Um Rebekka betrachten zu können, hatte er sich vorbeugen müssen. „Es muss doch recht unbequem sein unter dem Leder, bei aller Zweckdienlichkeit!“
Rebekka war froh, die Hutmaske aufbehalten zu haben. Sie bot ihr Schutz vor den Blicken auch oder gerade des Vampirs. Sie fühlte die Welle ihr Herz berühren und weiter hoch zu steigen. Er war ein Vampir, ein Blutsauger, ein Untoter, der Mörder ihrer Schwester, Ein Verlorener, ein Verfluchter, ein einsamer Wanderer durch die Zeit, ein …
Rebekka setzte sich kerzengerade hin.
„Ich behalte meine Maskerade lieber bei. Man weiß nie, was geschieht, und ich brauche zu lange, die Maske aufzusetzen, wenn überraschend die Notwendigkeit auftauchen sollte, weil, beispielsweise, eine Patrouille unsere Papiere sehen will.“
Georgios schmunzelte.
„Habt Ihr denn Papiere? Wohl kaum Eure eigenen, denn dort dürftet Ihr dem weiblichen Geschlecht zugeordnet sein, nehme ich an?“
„Ich nehmt richtig an!“, antwortete Rebekka und es gelang ihr nicht, den schnippischen Ton zu unterdrücken, der sich bei ihr eingeschlichen hatte.
„Ich habe mir Papiere zugelegt, die mich als Mann ausweisen, selbstverständlich, was denkt Ihr denn? Ich bin französischer Bürger, Monsieur Anquin, je m’appelle! Francoise Anquin, wenn’s beliebt, und ich wäre Euch dankbar, wenn auch Ihr Euch dieser Anrede bedienen würdet, wenn wir uns unter anderen Menschen befinden!“
Georgios neigte den Kopf und Rebekka hätte am liebsten ihre Hände an seine Wangen gelegt und seinen Kopf zu sich herangezogen. Ihr war heiß unter der Verkleidung.
„Euer Wunsch ist mir Befehl, Monsieur Anquin! Je suis enchanté!“
Rebekka drehte ostentativ den Kopf wieder dem Fenster zu. Sie rumpelten eben an der Schmiede vorbei, die linker Hand von ihnen lag. Sie saß in Fahrtrichtung,
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