Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
genähert hatte, auf dem sich der Lord aufhielt, auf den freien Platz hinaus. In dem Haus waren nur wenige Fenster noch erleuchtet und auf den Straßen waren kaum noch Leute unterwegs, denn das Wetter zeigte in der Nacht noch deutlicher, wie früh der Winter in diesem Jahr den Herbst ablösen würde. Die Kälte ließ erste Eisblumen an den Rändern der Pfützen wachsen und mehr und mehr Flocken mischten sich unter die Tropfen. Bald würde der Regen zur Gänze in Schnee übergehen und sein kaltes, weißes Tuch auf das Land legen.
Das Wohnhaus lag etwas weiter entfernt von der Straße und hatte mehrere Stockwerke. Es war ein schon älteres Haus mit Steinfundament und Fachwerk im oberen Teil. Die Fenster waren aus kleinen Butzen zusammengesetzt und George blieb unter jedem stehen und fühlte, ob dahinter der Gesuchte zu finden war. Er schlich an der Hauswand entlang nach hinten in den Garten. Der Regen fiel und ein Rauschen lag in der Luft, das jedes andere Geräusch verschluckte, und so hörte niemand den Vampir am Spalier in den oberen Stock einsteigen. Ein geöffnetes Fenster machte es ihm einfach. Der Raum war zu Georges’ Glück nicht bewohnt. Ein muffiger Geruch lag in der Luft mit einem Hauch von Verwesung. Wohl deshalb war das Fenster auch bei diesem Wetter geöffnet geblieben.
Die Tür war unverschlossen und führte in einen langen Flur, an dessen Ende eine Treppe nach unten führte.
Der Vampir schloss seine Augen und konzentrierte sich. Er konnte die Herzen der Menschen in ihren Betten hören, langsam und träge. In der Küche waren zwei weitere Personen, aber wo war der verfluchte Lord? George richtete seine Aufmerksamkeit auf die hinteren Räume im Erdgeschoss, dann auf der Etage, auf der er selbst sich befand, dann auf die Obergeschosse. Da war er!
Ein Zimmer, ein Stockwerk über ihm, vier Personen, davon zwei mit ruhigem Herzschlag und zwei mit beschleunigtem Puls. Der Vampir öffnete die Augen und sah sich nach einem Treppenaufgang um. Das Haus war mehrfach umgebaut worden im Laufe der Zeit, und dieser Teil hatte nur eine indirekte Verbindung mit dem oben liegenden Gelass. Um dorthin zu kommen, musste man hier die Treppe hinuntersteigen und in den Vorraum gehen, von wo eine weitere Treppe hinaufführte. Das Haus war verwinkelt und bot zahllose Versteckmöglichkeiten. Ein Grund, weshalb Lord Hobard–Whittingham dieses Anwesen unbedingt hatte haben wollen. Dass der rechtmäßige Besitzer wegen angeblicher Falschmünzerei in den Turm geworfen worden war, kam ihm dabei durchaus zustatten und war ein nicht einfaches Schelmenstück für sich gewesen.
George trat so vorsichtig auf, wie er konnte, aber der uralte Dielenboden knarrte und knarzte bei jedem Schritt. Das ging zu langsam voran, aber George hatte als Vampir andere Möglichkeiten.
Mit einem nahezu lautlosen Satz sprang er aus dem Stand über das Geländer des Treppenhandlaufs in den Treppenschacht. Er landete katzengleich auf den Füßen unten auf der letzten Stufe der Treppe, stieß sich sofort wieder ab und schnellte mit einem Satz an eine Wand, hoch an die Decke und an die gegenüberliegende Wand. Wenn seine Füße die Mauer berührten, war nur ein kaum wahrnehmbares Geräusch zu vernehmen. Schon war er durch den Flur und an der Küche vorbei, als die Tür geöffnet wurde und ein narbengesichtiger, fetter Mann mit hängenden Wangen und ungesunder Hautfarbe in den Flur trat und einen lauten Furz ließ. Mit schreckgeweiteten Augen starrte er auf den Vampir, der sich eben fallen ließ und dabei aus der Bewegung heraus die Klinke der Tür drückte. Fast wäre George ohne Zwischenfall durchgekommen, aber nun musste er handeln.
Ohne innezuhalten sprang er dem Fettwanst an die Kehle. Die Wucht des Aufpralls schleuderte beide in die Küche zurück, wo ein verweintes junges Ding an einem abgewetzten Küchentisch saß und sich die Nase wischte. Sie erstarrte, als die zwei in den Raum prallten.
George schien noch blasser als sonst und seine Augen waren leuchtend weiß, ohne Pupille, und schienen von innen heraus zu leuchten. Seine oberen und unteren Eckzähne standen hervor und seine Gesichtszüge waren so verzerrt, dass er wie ein anderes Wesen wirkte und kaum etwas mit dem blassen Mann mit den traurigen Augen gemein hatte, der er sonst war.
Mit Leichtigkeit hielt er den zappelnden Fettsack am Boden. Sein Geruchssinn sagte dem Vampir, warum der Fette so zufrieden gefurzt hatte und weshalb die junge Frau geweint hatte. Er konnte das Sperma an ihren
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