Peter Hogart 1 - Schwarze Dame
Führerschein, den man ihm ein halbes Jahr zuvor wegen Drogenmissbrauchs entzogen hatte, würde sich seine Versicherung das Geld von ihm auf dem Regressweg zurückholen. Da wurde er aufbrausend und brüllte mich an: Hätte das Mädchen den Unfall nicht überlebt, wäre er nur wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht gekommen. Nun aber würde er den Rest seines Lebens für den Umbau des Salzmann-Hauses und Jasmines laufende Betreuungskosten aufkommen müssen.« Hogart schwieg einen Augenblick. »Es klingt hart, ich weiß, aber faktisch hatte der Junge recht.«
»Ich kann mir vorstellen, worauf es hinauslief.«
»Können Sie nicht, niemand konnte das.« Hogart starrte durch das Bullauge auf die Kaimauer hinaus. »Ich wusste, wie gefährlich es war, den Jungen unbeaufsichtigt zu lassen. Für mich war er ein Typ, dem man alles zutrauen musste. Trotzdem unternahm ich nichts. Was hätte ich auch machen sollen?« Hogart atmete tief durch. »Am Abend vor der Verhandlung bewahrheitete sich meine Befürchtung. In der unteren Etage des Krankenhauses wurde ein Feueralarm ausgelöst. Während die Pfleger aus der Intensivstation rannten, schaltete jemand Jasmines Maschinen aus.«
»Aber Sie sind nicht Schuld am Tod des Mädchens.«
»Nein, das bin ich nicht, aber ich wusste, wer für ihren Tod verantwortlich war. Die Versicherung betrachtete die Sache vorerst als erledigt. Sie zog mich von dem Fall ab, doch ich blieb dran. Auf eigene Initiative besuchte ich Rainer Schodl. Er hatte kein Alibi für diesen Abend, und ich drohte ihm, ich würde ihn ans Kreuz nageln, denn jetzt käme er wegen vorsätzlichen Mordes vor Gericht. Er starrte mich nur schweigend an. Am nächsten Tag brach Jasmines Vater bei der Identifizierung der Leiche zusammen. Er gestand, dass es für ihn keine Alternative gegeben habe, als seine Tochter von ihrem Leid zu erlösen.«
»Scheiße!«, entfuhr es Ivona.
»Genau. Als ich davon erfuhr, raste ich sofort zu dem Jungen, doch es war zu spät. Offenbar aus Angst vor dem Knast hatte er sich mit einer Überdosis das Leben genommen. Die Reporter erfuhren von meinem Gespräch mit dem Jungen, und nun war ich derjenige, der ans Kreuz genagelt wurde. Natürlich bauschte die Presse den Fall Salzmann zu einer Familientragödie auf, doch an den Fakten gab es nichts zu rütteln: Ich hatte unprofessionell gehandelt und mich den Anweisungen meines Auftraggebers widersetzt. Mein verdammter Gerechtigkeitswahn hatte den Jungen in den Tod getrieben. Die Geschichte versetzte mir einen gewaltigen Dämpfer. Seitdem ist nichts mehr so wie früher.« Hogart drückte die Zigarette aus. Mittlerweile war sein Kaffee kalt geworden, ohne dass er davon getrunken hatte.
»Ich hoffe, ich gerate nie wieder in eine solche Situation. Ich wüsste um nichts in der Welt, ob ich meiner inneren Stimme vertrauen kann, welche Entscheidung richtig ist und welche falsch.«
Er stand auf und schüttete den Inhalt seines Kaffeebechers in den Ausguss.
»Danke, dass Sie es mir erzählt haben.« Ivona erhob sich ebenfalls. »Es wird Zeit. Vesely erwartet uns.«
Unwillkürlich warf Hogart einen Blick auf die Kiste mit den Leuchtfeuersignalen, worin Ivona gestern Nacht die beiden Glock-Pistolen mitsamt den Magazinen und Holstern versteckt hatte.
Dann folgte er ihr.
Sie trafen Vesely um halb zehn vor der Manesuvbrücke. Da eine feuchte, bleierne Nebelbank vom Fluss ans Ufer kroch, trug Vesely einen dicken Steppmantel mit Schal und Handschuhen. Sein Gesicht war eingefallen und blass, als hätte er die gesamte Nacht durchgearbeitet. Nach einer knappen Begrüßung spazierten sie im Nebel auf einem Fußweg entlang der Moldau stadtauswärts.
»Falls Sie Schwierigkeiten mit Ihrer Frau bekommen«, begann Ivona, »sollten wir das hier lieber beenden und …«
»Beenden?« Vesely machte eine abwehrende Handbewegung. »Wenn ich zur Lösung der Mordserie etwas beitragen kann, ist es meine Pflicht zu helfen. Eugenie hat kein Verständnis dafür. Sie denkt nur an sich. Seit sie gestern Abend davon erfahren hat, dass ich Pavel in die Sache involviere, zwingt sie mich förmlich dazu, die Finger davon zu lassen. Aber wir stecken schon zu tief drin, als dass wir jetzt aufhören könnten.«
»Danke.«
»Schon gut. Ich habe Pavel von den Morden erzählt, er ist in alles eingeweiht. Ohne ihn hätte ich die Suche in dieser kurzen Zeitspanne niemals durchführen können. Insgesamt haben wir siebzehn Freunde von Pavel in die Aufgabe einbezogen. Ihre Väter sind
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