Peter Voss der Millionendieb
nicht den geringsten wissenschaftlichen Ehrgeiz und begnügte sich nur damit, ein möglichst korrekter Beamter zu sein.
»Das ist also der Ausbrecher?« fragte er und musterte ihn kritisch.
»Ach, Herr Direktor!« jammerte Peter Voss. »Tun Sie mir nichts. Ich hab's gar nicht gerne getan. Es ist halt so plötzlich über mich gekommen.«
»Abführen!« befahl der Direktor mit einer energischen Handbewegung. »Gleich das Protokoll aufnehmen! Fotografie, Fingerabdrücke!«
Zehn Minuten später saß Peter Voss in der Badewanne. Das Wasser war reichlich kalt.
»Wie oft wird hier am Tage gebadet?« fragte er arglos.
Schwupp! tauchte ihm der erboste Wärter den Kopf unter Wasser, daß ihm die Luft verging.
»Aber hören Sie mal!« rief Peter Voss ungehalten, nachdem er das verschluckte Wasser von sich gesprudelt hatte. »Ich bin eine derartige Behandlung nicht gewohnt.«
»Maul halten!« brüllte der Wärter ihn an. »Hier hast du nur zu reden, wenn du gefragt wirst.«
»Danke für die Belehrung«, meinte Peter Voss, die übrigen Worte erstarben in einem unverständlichen Gegurgel.
Als er wieder in die Höhe kam, war sein Gesicht blaurot.
›Junge, Junge!‹ dachte er und wischte sich die Tränen aus den Augen. ›Hier sind die Leute bei weitem nicht so gemütlich wie in St. Malo.‹
Beim Fotografieren steckte er ein höchst bekümmertes Gesicht auf, nachdem er vorher seine Nase durch heftiges Reiben und Drücken auf ein größeres Volumen und auf ein geradezu ordinäres Format gebracht hatte. Er sah jetzt wirklich mehr wie Emil Popel als wie Peter Voss aus. Nun wurde er von unten nach oben gemessen, wobei es ihm gelang, sich um einen halben Zentimeter zu verkleinern. Brustumfang und Fingerabdrücke und was sonst noch zur Registrierung eines Verbrechers gehörte, kamen haargenau ins Protokollbuch. Dann erschien der Arzt und behorchte ihn.
»Tadellos gesund!« bemerkte er und ging wieder hinaus.
Eine Viertelstunde später saß der falsche Emil Popel in der vorletzten Zelle auf der rechten Seite des obersten Korridors.
›Das ist aber schnell gegangen!‹ dachte er und legte sich auf die Pritsche, weil er hundemüde war.
Friedrich Minkwitz dankte seinem Schöpfer, daß er noch so davongekommen war. Emil Popel aber sauste längst als Peter Voss nach Süden.
***
Dodd und Polly aber, noch immer in Hamburg, warteten vergeblich auf die Wirkung des Steckbriefes. Daß man daraufhin den Kapitän Siems mitten auf dem Jungfernstieg festgenommen hatte, war nicht gut als Erfolg anzusehen.
Dodd mußte schließlich die Annahme, daß sich Peter Voss noch immer in Hamburg aufhielt, fallenlassen. Er eilte vom Einwohnermeldeamt zur Seemannskartei, um schließlich festzustellen, daß der Gesuchte als Matrose bei der Logiswirtin Hansen in der Adolfstraße gewohnt hatte.
Mit Mutter Hansen wurde der gewandte Dodd im Handumdrehen fertig. Sie war eine viel zu ehrliche Haut, um sich aufs Leugnen zu verlegen. Daß sie dadurch Peter Voss schaden könnte, das glaubte sie nicht. Er war ja unschuldig.
Mit ihrer Hilfe stellte Dodd Peters neues Aussehen fest und fragte sie auch sonst gehörig aus.
»Er wollte nach Frankfurt!« bekannte sie endlich.
Das war die Wahrheit, und Frankfurt war groß. Da sollte er ihn erst mal finden.
Noch an demselben Tage übersandte Dodd dem Fahndungsblatt einen korrigierten Steckbrief und ließ ihn außerdem in einigen der verbreitetsten Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichen.
Dann schickte er an Stockes & Yarker ein beruhigendes Telegramm, worin er mitteilte, daß er die verlorene Spur wieder aufgefunden hätte, und seine weitere Reiseroute angab.
Nun fuhr er mit Polly nach Frankfurt.
***
Peter Voss saß in seiner sicheren Zelle und löffelte seine dicken Erbsen, in denen ein winziges Stück Speck schwamm.
›Wenn das so weitergeht‹, dachte er, ›muß ich krank werden. Vielleicht ein kleiner Tobsuchtsanfall. Am Ende komme ich dann in die Irrenanstalt. Da gibt's wenigstens ein bisschen Unterhaltung.‹
Als der Wärter am Abend hereinkam, um die Zelle zu revidieren, stand Peter Voss gerade in der Mitte des kleinen Raumes und machte Kniebeugen mit Armstrecken, ganz ordnungsmäßig in drei Zeiten. Er zählte sogar dazu.
»Still gestanden!« fuhr ihn der Wärter an.
Peter Voss schoß an die Wand und machte sich steif wie ein Ast.
»Was machen Sie denn für ein böses Gesicht, Herr Inspektor?« fragte Peter Voss bekümmert. »Sie müssen es mir nicht übelnehmen, daß ich Sie damals so
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