Peter Voss der Millionendieb
kam Jim Stockes an die Reihe, der sich bis dahin außerhalb des Sitzungssaales befunden hatte. Er konnte, obschon er alles bestätigte, was Peter Voss und sein Anwalt von ihm verlangten, doch nicht mehr die gänzlich verfahrene Karre auf das rechte Gleis ziehen.
Der Staatsanwalt beantragte zwanzig Jahre Sing-Sing, nachdem er die rührende Geschichte von dem treuen Kassierer in ihre unglaublichen Einzelheiten wie ein Gänseblümchen zerpflückt hatte. Jim Stockes bekam für seine bewiesene Sanftmut einen Lorbeerkranz aufs Haupt gesetzt, wodurch seine für den Angeklagten günstigen Aussagen erledigt waren.
Der Anwalt blieb bei der Stange und versuchte das Unmögliche. Da er aber selbst nicht an Peters Unschuld glaubte, wirkte seine Rede nur unfreiwillig komisch.
Als sich die Geschworenen zur Beantwortung der Schuldfrage zurückzogen, wurde Peter Voss zum ersten Mal schwül zumute. Er kam bös in die Klemme, wenn Jim Stockes nicht den Mund auftun wollte. Der aber saß auf der Zeugenbank, sah geradeaus und schaute nicht links und nicht rechts. Sein bleiches Gesicht war wie aus Stein gemeißelt. Keine Fiber zuckte darin. Er wartete auf den Spruch der Geschworenen.
Die kamen bald wieder in den Saal und erstatteten Bericht. Sie bejahten die Schuldfrage mit allen Stimmen.
Jetzt stand Jim Stockes langsam auf und machte drei Schritte gegen die Schranke, hob zwei Finger auf und sprach mit lauter Stimme: »Peter Voss ist kein Dieb. Wir haben die Sache damals zusammen verabredet.«
Nach diesem Bekenntnis war es eine ganze Weile mäuschenstill im weiten Sitzungssaale. Nicht ein einziger zweifelte an der Wahrheit der Aussage, nicht einmal der Staatsanwalt, obschon sie gar nicht beschworen war.
Nachdem die Richter ihr grenzenloses Erstaunen überwunden hatten, setzten sie die juristische Strafmaschinerie wieder in Gang.
Nun kam die andere Hälfte der Wahrheit ans Licht. Im Zuhörerraum wurde jede Aussage Peters mit Beifallsgetrampel begrüßt.
Peter Voss wurde zu 50 Dollar Geldstrafe verurteilt wegen Paßvergehens und Urkundenfälschung.
Der erste, der ihm gratulierte, war Bobby Dodd.
Das Publikum im Zuschauerraum klatschte wie bei einer wohlgelungenen Theateraufführung.
Als Peter Voss am Arm Jim Stockes aus dem Gerichtsgebäude trat, wurden sie beide von der begeisterten Volksmenge auf die Schultern gehoben und im Triumph durch die Straßen getragen. Die Zeitungen tobten drei Tage lang in spaltenlangen Artikeln über diesen einzigartigen Fall. Wochenschau, Radio und Fernsehen machten Reportagen. Bobby Dodds Ruhm stieg bis nach Hollywood, er erhielt ein Filmangebot, aber er lehnte ab.
Und die Firma Voss, Stockes & Yarker in St. Louis mußte ihr Personal verdreifachen, um die Aufträge, die von allen Seiten einliefen, erledigen zu können.
»Voss!« sagte Stockes zu seinem neuen Kompagnon, als die Tage wieder ein wenig ruhiger geworden waren. »Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen. Aber ein zweites Mal riskiere ich das Manöver nicht.«
»Ich auch nicht«, gestand Peter Voss.
Jim Stockes war wieder der alte Draufgänger, der am liebsten alles auf eine Karte setzte, und besonders jetzt, wo Dick Patton mit spielender Leichtigkeit bezahlt worden und die Firma in die Spitzengruppe der Bankfirmen aufgerückt war.
Peter Voss paßte auf. Er schenkte seinem Kompagnon ein Kartenspiel, damit konnte dieser pokern, sooft er Lust hatte, aber Börsenspekulationen ließ Peter Voss nicht zu. Fing Stockes doch einmal davon an, dann erklärte ihm Peter freundlich:
»Gehen Sie spazieren, Mr. Stockes, aber nicht auf die Börse, sondern lieber auf den Carondelet-Park zu. Holen Sie meine Frau ab, und gehen Sie mit ihr ins Theater oder sonst wohin. Sie dürfen so liebenswürdig zu ihr sein, wie Sie es als alter Junggeselle können.«
Jim Stockes lächelte süß-sauer, gab nach und ging. Nach einer Stunde kehrte er ziemlich niedergeschlagen zurück.
»Haben Sie meine Frau nicht getroffen?« fragte Peter Voss verwundert.
»O doch«, antwortete Jim Stockes und tupfte sich den Schweiß von der Stirn. »Aber sie hatte für heute Abend schon eine Einladung. Ich habe sie begleitet, aber es war eine Strapaze. Sie wollte mich verheiraten. Und Sie wissen doch, wie ich über diesen Punkt denke.«
»Stockes«, sprach Peter Voss, trat auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Sie sind ein eingefleischter Junggeselle. Und deshalb brauchen Sie Gesellschaft. Ich werde an meinen Adoptivvater telegrafieren. Der langweilt sich
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