Peter Voss der Millionendieb
kommt.«
Der gute Alte gehorchte, weil ihm nichts weiter übrigblieb.
Peter Voss reckte sich auf, legte sein Gesicht in oberlandgerichtsrätliche Respektfalten und klopfte gegen die Tür.
Sofort wurde die Tür aufgeschlossen.
»Stören Sie den Mann nicht«, sprach der vermeintliche Oberlandgerichtsrat zu dem Wärter und drückte mit eigener Hand die Tür ins Schloß. »Sein Geständnis hat ihn aufs schwerste erschüttert. Geben Sie diese Akten dem Herrn Direktor und sagen Sie ihm, ich würde morgen um diese Zeit wiederkommen, um mit ihm Rücksprache zu nehmen. Ich habe zu Hause noch etliches nachzuprüfen. Es sind einfach furchtbare Dinge, die mir der Mann anvertraut hat. Richten Sie das dem Herrn Direktor aus.«
Der Wärter nahm mit einer linkischen Verbeugung die Akten Emil Popels an sich. Der falsche Oberlandgerichsrat stieg mit hörbarem Keuchen und schwerfälligen Schritten die drei Treppen hinunter. Die scharfe Brille auf der Nase war ihm etwas hinderlich. Auf den letzten drei Stufen versah er sich, trat daneben und wäre sicherlich böse gestolpert, wenn ihm der Portier nicht zu Hilfe geeilt wäre. Höflich stützte er den alten Herrn, der einen gebrechlichen Eindruck machte, und führte ihn bis zu einem wartenden Taxi.
»Danke sehr«, sagte der falsche Rat und stieg ein.
Der Portier legte die Finger an die Mütze, und der Wagen rollte mit ein paar Fehlzündungen davon. Zehn Minuten später stieg Peter Voss aus. Er hatte in der Hosentasche des Onkels längst den Schlüsselbund entdeckt und öffnete damit die Haustür.
Und schon stand er Polly gegenüber.
Noch ehe sie etwas zu dem Oberlandgerichtsrat sagen konnte, schloß Peter, den sie nicht erkannte, sie herzhaft in die Arme und gab ihr einen sehr langen Kuss.
Da erkannte sie ihren Peter wieder. Ohne ein Wort zu sagen, mit geschlossenen Augen, ließ sie sich in das Schlafzimmer des Adoptivvaters ziehen. Die Haushälterin war gleich, nachdem sie Polly eingelassen hatte, einkaufen gegangen. Peter Voss, der falsche Oberlandgerichtsrat, hätte sie sonst sicher mit einem Briefe fortgeschickt.
Er riß sich die Kleider vom Leibe und griff in des Adoptivvaters Schrank, um sich neu auszustaffieren. Inzwischen erzählte er seine Abenteuer. Polly fiel von einer Überraschung in die andere. Längst hatte sie angefangen, Peters Bericht damals in Hamburg zu glauben. Deshalb war sie auch heute zu dem Oberlandgerichtsrat Patsch gegangen, weil sie endlich erfahren hatte, daß dies der Adoptivvater Peters gewesen war.
Und nun stand sogar Peter leibhaftig vor ihr, wenn auch noch so manches ihr an seinen Erzählungen unklar war, so glaubte sie ihm doch wieder wie früher.
Rasch schilderte sie ihm ihre Erlebnisse. Als Peter ihr berichtete, daß Dodd ihn im Gefängnis entdeckt habe, unterbrach sie ihn:
»Dodd hat dich also doch entdeckt! Dieser Schwindler! Und mir erzählte er, daß er die Verfolgung aufgeben wolle.«
»Also sieh dich vor!« lachte Peter Voss und stieg in den besten Anzug des Rats. »Er hat dich durchschaut. Er will sich deiner entledigen. Jetzt kannst du ihm nicht mehr helfen. Sei also vernünftig und fliege nach St. Louis zurück.«
»Nein, nein!« rief sie leidenschaftlich. »Ich trenne mich nicht mehr von dir. Ich lasse dich nicht allein abreisen.«
»Nimm Vernunft an«, rief Peter Voss, fasste sie mit beiden Händen beim Kopf und küsste sie dermaßen ab, daß ihr die Luft wegblieb. »Ich muß allein reisen. Bedenke doch, du würdest Dodd nur in die Hände arbeiten.«
Da griff Polly zum ältesten Mittel aller Frauen, wenn es gilt, einen Mann weich zu machen: sie weinte.
»Es gibt einen Ausweg!« rief Peter, indem er sich den Schlips umband. »Ich sehe ein, es ist nötig, daß wir uns hin und wieder treffen. Also pass auf. Hier ist die Vermittlungsstelle. Du wirst den Rat über alles informieren, von mir kennt er meine Geschichte schon, und er ist im Grunde eine viel zu gute Seele, als daß er uns nicht helfen würde, nun, da er weiß, daß es nichts Unrechtes ist. Ich werde hierher hin und wieder ein chiffriertes Telegramm senden. Daraus wird hervorgehen, wo du mich finden kannst. Und du bist imstande, mir auf dieselbe Weise deinen Aufenthaltsort mitzuteilen. Das ist eine großartige Idee! Wir werden uns wiedersehen, wenn die Luft rein ist, und uns trennen, sobald Dodd im Anzuge ist. Bist du damit einverstanden?«
Überglücklich nickte sie, und sofort flossen auch die Tränen nicht mehr.
»Schon gut, schon gut, du armes Ding«, sagte er
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