Peter Voss der Millionendieb
wartete.
Aber es kam vorläufig nichts an den Tag, wie sehr auch die Haushälterin die Ohren spitzte und den Papierkorb durchwühlte. Es kam kein Telegramm aus Frankfurt noch sonstwoher.
Doch Dodd war zähe. Solange Polly da war, hatte er nicht den geringsten Grund, abzureisen. Wie die Dinge lagen, brauchte er sich nur an ihre Fersen zu heften, um sicher auf Peter Voss zu stoßen.
Und er blieb in Rothenburg, Peter Voss in München, bis der Vorrat im Portemonnaie des Adoptivvaters zur Neige ging. Dann fuhr er nach Frankfurt.
14
In Frankfurt machte sich Peter Voss alias Franz Lehmann sofort daran, mit einem Manne in Verbindung zu treten, der einen schwungvollen Handel mit falschen Pässen trieb. Er selbst bekam diesen dunklen Ehrenmann nicht zu Gesicht. Die Papiere gingen durch drei, vier Hände, ehe sie zu ihm gelangten. Peter Voss zahlte den geforderten Preis, wodurch allerdings der Inhaltsrest des oberlandgerichtsrätlichen Portemonnaies dahinschwand, aber er bekam einen bildschönen Pass mit allen Angaben, die auf ihn zutrafen, bis auf den Namen, denn er hieß jetzt Rudolfo Marcera. Außerdem kaufte er sich noch einen deutschen Reisepass mit dem Namen Xaver Tielemann, von Beruf Kellner, aus Feldmoching bei München.
Mit kritischen Blicken musterte Peter Voss diese beiden Namen.
Zuerst wollte er es als Xaver Tielemann versuchen.
Eine halbe Stunde später stand er vor dem Generaldirektor des Esplanade-Hotels in Frankfurt. Es war ein vornehmer Herr, der mühelos fünf Sprachen beherrschte, nur Russisch konnte er nicht. Damit konnte aber Peter Voss aufwarten.
»Wo sind Sie zuletzt in Stellung gewesen?« fragte der Generaldirektor, dem dieser Xaver Tielemann auf den ersten Blick gefiel.
»Als Obersteward auf einem südamerikanischen Dampfer«, erklärte Peter Voss mit eiserner Stirn. »Ich bin wegen einer Frauengeschichte in Portorico festgehalten worden und habe so mein Schiff und sämtliche Papiere verloren. Ich habe mich dann als Trimmer herüberarbeiten müssen.«
»Es ist zwar keine Stelle frei«, sagte der Generaldirektor. »Aber wir können Sie ja einmal versuchsweise einstellen, allerdings nur als Hausdiener, für den Gepäckfahrstuhl und die Zimmer 200-240.«
So wurde Peter Voss als Xaver Tielemann Hausdiener im Esplanade-Hotel.
Er erhielt eine grüne Schürze und eine grüne Mütze mit geradem Schild, auf der der Name Esplanade in goldenen Messingbuchstaben glänzte, und stellte sich im Hoteleingang an den Gepäckaufzug. Der würdevolle Portier war sein direkter Vorgesetzter.
***
Um neun Uhr Abends kam das langersehnte Telegramm in Rothenburg an, eine halbe Stunde später hatte es der Gerichtsrat entziffert. Es lautete: »Erwarte Dich umgehend Hotel Esplanade Frankfurt, Zimmer 200-240. Peter.« Unter jede Zahl hatte der Rat den betreffenden Buchstaben geschrieben, so daß der Text klar zu lesen war.
Polly packte sofort ihre Koffer und wollte noch mit dem Abendzug abreisen.
»Aber Kind«, rief der Rat beinahe eifersüchtig. »So eilt die Sache denn doch nicht.«
Also wurde die Reise auf den nächsten Morgen festgesetzt. Polly bestellte das Frühstück bei Martha Zippel, und zwar eine halbe Stunde früher als sonst.
Die lag schon längst auf dem Sprunge, das Telegramm zu erwischen. Der Rat zerriss es dreimal und warf es in den Papierkorb. Es hatte seine Schuldigkeit getan.
Die Haushälterin schlief diese Nacht ebenso schlecht wie Polly; bei Polly war die freudige Aufregung der Grund, bei Martha Zippel das böse Gewissen.
Zwei Stunden vor Polly erhob sie sich und schlich zum Papierkorb, den sie seit Wochen unter strengster Aufsicht hielt. Jeden Tag leerte sie ihn. Diesmal lag nichts weiter darin als die acht Stücke des zerrissenen Telegramms. Schnell ließ sie diese Papierschnipsel in der Tasche verschwinden.
Dann lief sie mit dem Marktkorb davon.
Zehn Minuten später pochte sie an Bobby Dodds Hotelzimmertür. Er putzte sich gerade die Zähne.
»Sie fährt heut morgen nach Frankfurt!« flüsterte sie hastig und legte das Telegramm auf den Tisch.
»Ich auch!« erwiderte Dodd und setzte seine Toilette fort. »Falls ich ihn erwische, werde ich dafür Sorge tragen, daß Ihnen die Belohnung von 2000 Dollar ausgezahlt wird.«
Martha Zippel verdrehte die Augen und verabschiedete sich mit einem tiefen, dankbaren Knicks. Dodd schaute nach der Uhr, klingelte dem Kellner, bezahlte die Rechnung, gab Befehl, sein Gepäck an den Frankfurter Zug zu befördern, klebte das zerrissene Telegramm
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