Peter Voss der Millionendieb
nehmen. Denn daß Dodd im Nebenzimmer auf der Lauer lag und jeden Besucher bei seiner Nachbarin überwachte, war so gut wie sicher. Er hätte es an seiner Stelle genauso gemacht.
Dodd lauschte, das Ohr am Kopfhörer, und stellte fest, daß Polly außerordentlich unruhig war. Sie erwartete ihren Mann, den Millionendieb. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und drückte auf den untersten Klingelknopf. Dodd steckte den Kopf durch die Korridortür. Das Lichtsignal wies auf den Hausdiener.
Hm! dachte Dodd, ohne Argwohn zu schöpfen, und lauschte weiter.
»Nummer 217!« rief ein Kellner. »Hausdiener!«
Xaver Tielemann hob den Kopf. Jetzt war es zu spät zum Auskneifen. Er mußte ins Gefecht. Und er stand auf und tat seine Pflicht.
Ohne anzuklopfen, öffnete er Pollys Tür.
›Das ist nicht der Hausdiener!‹ dachte Dodd argwöhnisch. Sollte das schon der Verbrecher sein?
Und schon hatte er die Gewissheit seiner Vermutung.
»Peter!« rief Polly und fiel ihm um den Hals.
»Um Gottes willen!« flüsterte er hastig. »Nur leise, Dodd ist nebenan.«
Dodd verstand nichts von dem, nur den Ausruf Pollys hatte er gehört. Und der genügte ihm vollkommen. Er wich nicht von seinem Platze.
Zwei Wege standen ihm offen. Entweder sofort hinüberzustürzen und den Mann zu verhaften, oder weiter zu lauschen. Es handelte sich aber in erster Linie um die gestohlenen Millionen. Wie nahe lag es, daß die beiden das Versteck des Geldes in ihrem Gespräch erwähnen würden.
»Hast du Geld?« hörte Dodd Peter fragen.
Sie gab ihm alles, was sie hatte.
»Morgen früh reise ich nach Italien!« flüsterte er. »Du kehrst nach Rothenburg zurück und wartest auf mein Telegramm.«
»Aber heut Nacht bleibst du bei mir!« erwiderte sie.
»Wie gerne!« flüsterte er und küsste sie herzhaft. »Aber es geht wirklich nicht. Ich muß Stiefel putzen und Kleider bürsten.«
Dodd hörte einen langen, innigen Kuss und verzog schmerzhaft das Gesicht.
»Morgen früh zwischen fünf und sechs komme ich noch einmal«, tönte Peters Stimme deutlich aus dem Kopfhörer.
Dann klappte die Tür.
Dodd fuhr mit dem Kopf auf den Korridor hinaus. Aber er kam um den Bruchteil einer Sekunde zu spät. Der Verbrecher sauste eben um die Ecke.
»Macht nichts«, schmunzelte Dodd und rieb sich die Hände. »Jetzt hab ich ihn!«
Daß das Lichtsignal erloschen war, beachtete er nicht in seiner freudigen Erregung. Für ihn logierte der Dieb als Hotelgast in einem der Zimmer von 200-240.
Es ging auf zehn Uhr. Dodd stellte seinen Wecker auf vier Uhr und kleidete sich aus. Auch die lästige Maske legte er ab. Den Anzug und den Überrock hängte er zum Reinigen in den kleinen Schrank zwischen den Doppeltüren. Auch seine Schuhe stellte er hinaus. Die Handschellen ließ er, seiner Gewohnheit nach, in der linken Manteltasche stecken. An denen vergriff sich doch keiner.
Dann legte er sich schlafen.
Um elf Uhr begann Xaver Tielemann die Schuhe der Gäste zu sammeln, schrieb die Zimmernummern auf die Sohlen und trug sie in die Putzkammer. Seine einmal übernommenen Pflichten wollte er wenigstens noch einmal erfüllen. Und er schmierte und bürstete drauflos, daß es nur so rauchte. Pollys kleine Schuhchen nahm er zuerst vor und erzeugte darauf einen Glanz, daß er sich darin spiegeln konnte. Bei den andern gab er sich lange nicht soviel Mühe, und auf Dodds Schuhe spuckte er verächtlich und fuhr einmal pro forma mit der Bürste darüber. Dann stellte er die einzelnen Paare wieder zwischen die verschiedenen Doppeltüren und sammelte die Garderobenstücke ein. Dodds Anzug und Mantel wollte er zur Strafe ungereinigt hängen lassen.
Da fühlte er etwas Hartes, sonderbar Geformtes in der Tasche des Mantels.
Noch ein Paar Handschellen!
Und er änderte augenblicklich seine Absicht und nahm den Mantel mit. In der Putzkammer angelangt, vertauschte er die beiden Fesseln miteinander. Die unverbesserte steckte er ein, um sie morgen aus dem Zug zu werfen.
Dann bürstete er Jacken und Hosen seiner Gäste, daß ihm der Staub in Wolken um die Nase flog, und brachte alles wieder an seinen Ort zurück. Damit waren seine Hausdienerpflichten erfüllt. Es war ein Uhr. Er bat den wachhabenden Kellner, ihn um fünf Uhr zu wecken, warf sich angekleidet aufs Lager und schlief sofort ein.
Um vier Uhr schnurrte Dodds Wecker. Da er die Zwischentür geschlossen hatte, wurde Polly von dem Geräusch nicht geweckt, obschon sie sehr unruhig schlief und alle Stunden nach der Uhr sah.
Leise
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