Peter Voss der Millionendieb
Deutschland aufgeben.«
»Prego«, erwiderte der Beamte freundlich.
Wohin aber sollte er Polly bestellen? Da ihm nichts Besseres einfiel, setzte er kurzentschlossen folgendes Telegramm auf: »Frau Polly Voss Rothenburg Oberlandgerichtsrat Patsch Freitag 12 Uhr Venedig Markuskirche Haupttor.«
Diese Mitteilung übersetzte er nach dem alten System in Ziffern. Dann reichte er es dem Beamten, der es ohne weiteres weitergab.
Das Telegramm lief am Abend in Rothenburg ein und wurde in kurzer Zeit entziffert.
»Dein Mann wünscht mit dir ein Rendezvous in Venedig!« sprach der Oberlandgerichtsrat lächelnd zu Polly. »Wenn du dich ranhältst, kannst du den Nachtschnellzug noch bekommen.«
»Du willst mich allein reisen lassen?« fragte sie.
»Allerdings!« lächelte er. »Ich glaube, ich kann dir mehr nützen, wenn ich hierbleibe. Ich werde nämlich das Gefühl nicht los, daß Dodd hier irgendwo auf der Lauer liegt und nur auf deine Abreise wartet. Denn anders ist euer Zusammentreffen in Frankfurt nicht zu erklären.«
»Aber wie?« rief sie. »Er wird seine Spur gefunden haben.«
»Oder das Telegramm!« sprach er leise und deutete auf die Tür. »Die Martha Zippel gefällt mir nicht mehr. Sie geht seitdem herum wie das leibhafte böse Gewissen. Der Sache muß ich auf den Grund kommen.«
»Er hat sie bestochen!« rief Polly. »Sie horcht an den Türen, sie spioniert uns aus.«
»An eine Bestechung glaube ich nicht«, sprach er und wiegte das Haupt. »Viel eher glaube ich, daß sie unter seinem psychischen Druck steht. Am Ende hat er ihr die Heirat versprochen.«
»Dazu ist er fähig«, fuhr Polly auf. »Liebeserklärungen gehören anscheinend zu seinem Geschäft.«
»Machen wir die Probe aufs Exempel!« erwiderte der Rat und drückte auf die Klingel.
Obschon die Haushälterin draußen gehorcht, aber leider nichts gehört hatte, verging doch eine geraume Zeit, bis sie eintrat.
»Wir haben eben ein Telegramm erhalten«, sprach er und hob das Papier vom Schreibtisch, »aus New York. Es kommt von einem gewissen Herrn Dodd, Bobby Dodd, derselbe Herr, der vor einigen Wochen hier war. Er zeigt uns seine Verlobung an. Und läßt Sie schön grüßen, Fräulein Zippel.«
Die Angeredete erblasste weder, noch wurde sie rot. Bobby Dodd in New York? Das war ein Irrtum. Der wohnte hier in Rothenburg im Hotel. So dumm war sie noch lange nicht, um auf solche Lügen hereinzufallen! Sie hielt ihre Augen schon offen, damit der Herr Rat nicht ins Unglück rannte. Und so bedankte sie sich ruhig und kühl für den fingierten Gruß und verschwand wieder in die Küche. Das eine war sicher. Ein Telegramm war angekommen. Und davon mußte sie Dodd in Kenntnis setzen. Aber erst mußte sie es haben. Der Papierkorb war ihr erst morgen früh beim Aufräumen erreichbar.
»Sie verstellt sich«, sprach der Gerichtsrat und hielt das Telegramm über ein brennendes Streichholz. »Sicher ist sicher. Wir wollen sie auch über dein Reiseziel gründlich hinters Licht führen.«
Dann studierten sie zusammen das Kursbuch und setzten die Abreise doch erst auf Donnerstagabend fest. Die Haushälterin erfuhr vorläufig nichts davon. Polly wollte ganz allein und unauffällig ihren Koffer packen. Die Übersetzung des Telegramms versteckte sie in ihrem Handtäschchen.
Aber die unverehelichte Martha Zippel hatte längst Lunte gerochen. Zwar verlief die Durchsuchung des Papierkorbs ohne Ergebnis, die verrußten Papierflocken auf dem Schreibtisch besagten ihr genug. Doch sie überstürzte sich nicht. Erst am Nachmittag, als sie ihren Spaziergang machte, ging sie ins Hotel, um Bericht zu erstatten.
Bobby Dodd lag in seinem Hotelzimmer auf dem Sofa. Er trug jetzt nur noch die Maske des alten, distinguierten Lebemanns.
Als er die Zippel am Klopfen erkannte, sprang er auf.
»Ein neues Telegramm ist angekommen?« rief er erregt. »Haben Sie es mitgebracht?«
»Er hat es verbrannt!« flüsterte sie hastig. »Sie packt schon den Koffer.«
»Und Sie wissen nicht, wohin sie reist?« forschte er. »Damned! So laufen Sie doch, daß sie uns nicht entwischt. Ich werde heute den ganzen Tag am Telefon sitzen.«
Hals über Kopf stürzte sie davon. Als sie der Gerichtsrat durch den Garten kommen sah, runzelte er die Stirn.
»Es geht unbedingt etwas vor«, sprach er zu Polly, die eben ihren Koffer abgeschlossen hatte. »In dieser Verfassung habe ich meinen Hausdrachen noch nie gesehen.«
Und schon riß er die Tür auf und stand der aufs höchste erschrockenen Martha
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