Peter Voss der Millionendieb
Voss in die Höhe, mit ihm die Diwandecke, und vor Dodds Augen wurde es plötzlich pechfinster. Er fuhr mit der Hand in die Tasche, machte aber zu seiner größten Bestürzung die Wahrnehmung, daß er sie nicht mehr herausbringen konnte. Der Überfall war zu planmäßig geschehen, als daß er nicht hätte glücken sollen. Peter Voss hatte ihm die schwere Decke über den Kopf gezogen.
Dodd fiel auf den Diwan und schrie aus Leibeskräften um Hilfe. Allein die dicke Decke erstickte seine stimmlichen Anstrengungen zu einem Gemurmel. Er strampelte mit den Beinen.
Peter Voss nahm die zweite Fessel aus der Tasche und ließ sie um die Füße schnappen. Dann wickelte er den Unterkörper kunstgerecht in die Steppdecke des Bettes und band sie mit der Vorhangschnur fest. Auch die Tischdecke und sogar die Telefonlitze mussten daran glauben. Mit einem Wort: er machte aus Dodd in wenigen Minuten ein gutverschnürtes Paket, das auf dem Diwan lag und nur durch leises Zucken verriet, daß Leben in ihm war.
Polly erholte sich von ihrer Erstarrung.
»Er erstickt!« rief sie, entsetzt von der Kaltblütigkeit ihres Mannes.
Peter Voss zog sein Messer, tastete nach Dodds Nase und schnitt an dieser Stelle ein winziges Löchlein in die Decke.
»So«, sagte er direkt an Dodds Ohr und zog dessen Nasenspitze ans Licht. »Schreien Sie nicht, Mr. Dodd, sonst mache ich das Loch wieder zu. Und bewegen Sie sich nicht, sonst verrutscht es, und Sie enden als Selbstmörder.«
Polly wankten die Knie vor Angst.
»Wenn es entdeckt wird«, stöhnte sie auf.
»Dann bin ich längst über die Grenze!« lachte Peter Voss froh und rieb sich die Handgelenke. »Doch man kann in diesen Dingen nicht vorsichtig genug sein. Lass mich nur machen.«
Schnell entschlüpfte er in Dodds Zimmer und riß den Horchapparat aus dem Schlüsselloch.
»Schließ auf!« rief er und pochte an.
Polly suchte mit zitternden Fingern den heruntergefallenen Schlüssel. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie das schon lange Zeit nicht benutzte Schloß öffnen konnte. Als die Tür endlich nachgab, sah sie Peter Voss in Dodds Kleiderkoffer herumwühlen.
»Was tust du da?« rief sie entsetzt.
»Ich zieh mich um!« lachte er nur und stieg in Dodds Hosen, die ihm ausgezeichnet passten. Sie hatten beide die Durchschnittsfigur.
Zuletzt fischte er sich aus der Aktentasche seine Brieftasche heraus.
Dann trug er Dodd ins Zimmer 216 zurück, legte ihn fein säuberlich aufs Bett und zog ihm noch einmal die Nase durchs Loch.
»Leben Sie wohl, Mr. Dodd!« rief er ihm ins Ohr. »Wollen Sie nicht bald das Rennen aufgeben?«
Ein dumpfes, unverständliches Gemurmel war die Antwort.
Peter Voss schloß die beiden Zwischentüren und küsste Polly herzhaft ab. Dann sprang er zur Korridortür.
»Ich telegrafiere!« rief er und war mit einem Satz draußen.
Das letzte, was sie von ihm sah, war Dodds Hut, der ihm etwas schief und sehr unternehmungslustig auf den braunen Haaren saß.
Glücklich kam er aus dem noch schlafenden Hotel, ohne mit Xaver Tielemann, dem Hausdiener, verwechselt zu werden.
Dodd konnte sich nicht rühren. Die rechte Hand stak wie festgeschraubt in der Tasche. Nur den linken Unterarm konnte er etwas bewegen. Doch das genügte nicht, um die vertrackte Decke loszuwerden.
Polly reiste gegen Mittag nach Rothenburg zurück.
Erst sechs Stunden später wurde Dodd aus seiner seltsamen Haft befreit.
»Der Schuft soll mir das büßen!« rief er wutentbrannt, schüttelte die Faust gegen das Fenster und kaufte sich eine italienische Grammatik.
Peter Voss aber saß bereits in einem Reiseomnibus, der gerade die italienische Grenze am Brenner passiert hatte.
15
Nun war Peter Voss schon zwei Tage in Venedig. Er hatte sich die Sehenswürdigkeiten der Lagunenstadt angeschaut und saß jetzt bei einem Campari im Café Florin auf dem Markusplatz. Nachdem er sich eine Zigarette angezündet hatte, prüfte er wieder einmal seine Brieftasche. Er hielt es für besser, seine amerikanischen Papiere verschwinden zu lassen. Einfach wegwerfen wollte er sie jedoch nicht. Wie leicht konnten die Kupferpapiere mit einem Sprung in die Höhe gehen, so daß er sich plötzlich vor die Notwendigkeit gestellt sah, seine Identität mit Peter Voss zu beweisen. Schließlich entschloss er sich, sie hauptpostlagernd nach Genua zu senden, und zwar auf seinen italienischen Namen.
Dann ging er aufs Postamt und drückte dem Beamten einen Geldschein in die Hand.
»Ich möchte ein chiffriertes Telegramm nach
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