Peter Voss der Millionendieb
nicht minder.
»Ich habe Hunger!« sagte Peter Voss auf italienisch.
Doch der Mann verstand es nicht. Da machte Peter Voss die Bewegung des Essens.
Nun begriff der Mann, legte das Wildbret nieder, zog ein Messer und löste ein Stück los, das er Peter reichte.
Peter Voss schüttelte den Kopf und suchte dem Manne begreiflich zu machen, daß er kein rohes Fleisch vertragen könne. Er hatte schnell erkannt, daß er es mit einem sehr gutmütigen Menschen zu tun hatte, und gab ihm nun durch einen großen Aufwand von erläuternden Gebärden zu verstehen, daß er mit nach seiner Hütte gehen wolle.
Und der Mann nahm ihn mit. Nach einer halben Stunde erreichten sie ein Dorf, das aus einem Dutzend größerer und kleinerer Hütten bestand. Das hervorstechendste Merkmal dieser Siedlung war der Schmutz, der sich in einer beängstigenden Weise überall breitmachte. In einem Raum, der kaum drei Meter im Geviert maß, hockte eine siebenköpfige Familie, die Peter Voss beim Abendbrot zusah. Eine riesige Schüssel Hirsebrei stand vor ihm, aus der er mit den Händen löffeln mußte.
Nachbarn kamen hinzu, den Fremden zu betrachten, und bald war die Unterhaltung im Gange. Peter Voss führte das Wort. Sie wussten, daß er ein entsprungener Sträfling war. Da sie aber echte Sardinier waren, und da Peter Voss so vorzüglich zu betteln verstand, gaben sie ihm alles, was er haben wollte, einen Sack mit Mundvorrat, einen Spieß, ein Messer und ein bisschen Tabak.
Überglücklich fiel Peter Voss der ältesten, hässlichsten und schmutzigsten Großmutter, die anwesend war, um den Hals und gab ihr einen echt italienischen Kuss. Damit hatte er die Herzen aller erobert. Zwei junge Leute erboten sich sogar, ihn auf Schleichwegen nach Tunis zu bringen. Peter Voss merkte bald, daß diese Burschen das nicht nur aus Nächstenliebe tun würden, sondern diese Tour als Schmuggler schon mehrmals zurückgelegt hatten.
Um Mitternacht brachen sie mit Peter Voss auf. Hunde nahmen sie nicht mit. Deren Gebell hätte sie nur verraten können. Diese Leute, die jeden Gebirgspfad im Finstern fanden und Peter Voss in die Mitte nahmen, wussten mit einer Treffsicherheit sondergleichen genau oberhalb eines kleinen Hafens an der Südküste Sardiniens aus dem Gestrüpp des Gebirgswaldes zu treten. So lautlos wie alles bisher verlaufen war, so still war auch ihr Abschied. Und schon hatte sie die Dunkelheit wieder verschluckt.
Der Morgen dämmerte im Osten, als Peter Voss durch die verschlafenen Straßen des Städtchens dem Hafen zuschritt. Auf der Reede, nicht weit vom Strande, lag sogar ein Petroleumdampfer, der nach Nagasaki bestimmt war.
›Yokohama wäre mir lieber‹, dachte Peter Voss, der auch angesichts dieser neuen Möglichkeiten seinen Realismus nicht verlor. Sofort ging er an Bord, um sich dem Kapitän als Matrose anzubieten.
Das war ein kleiner, geschmeidiger Japaner, der ein paar Brocken Englisch konnte, aber keine Lust hatte, einen Mann ohne Papiere mitzunehmen.
Aber er mußte ihn doch mitnehmen. Peter Voss hatte nämlich bei seinem Besuch genug gesehen, um in der Nacht wieder an Bord gelangen zu können. Er wartete bis die Dunkelheit hereinbrach, dann sprang er ins schmutzige Hafenwasser, schwamm eine kurze Strecke, erreichte eine Schute, die längsseits lag, und versteckte sich im Kettenkasten des Dampfers.
Als der Anker am Morgen heraufgeholt wurde, nahm sich Peter Voss in acht, daß er mit der schweren Kette nicht in Berührung kam. Vier Stunden später erschien er an Deck.
Der Kapitän überschüttete ihn mit einem Schwall Flüchen und wollte ihn höchsteigenhändig über Bord werfen. Peter Voss streifte sich langsam beide Ärmel hoch, da kamen ein paar tätowierte Seemannsarme zum Vorschein. Das schien den Kapitän einigermaßen zu beruhigen. Er verlangte von Peter Voss, er solle in den Heizraum steigen, um Kohlen zu trimmen.
»Warum nicht?« lachte Peter Voss und gehorchte. »Arbeit schändet nicht. Besonders, wenn es eine vernünftige Arbeit ist. Lieber japanische Kohlen trimmen als italienischen Mist karren.«
Und er trimmte, daß den beiden japanischen Heizern angst und bange wurde, so flogen ihnen die schweren Kohlenkörbe an den Nasen vorbei. Aber dafür aß Peter Voss noch einmal soviel als sie beide zusammen.
***
Wochen vergingen. Dodd saß noch immer auf Sardinien und kämpfte mit der ihm eigenen Zähigkeit um seine Freiheit. Er telegrafierte nach Rom, nach New York, nach St. Louis. Nichts wollte helfen. Schließlich wollte er
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