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Peter Voss der Millionendieb

Peter Voss der Millionendieb

Titel: Peter Voss der Millionendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewger Seeliger
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Zum Anbeißen schön war sie. Sie lächelte sogar und schien gänzlich unbekümmert zu sein, als sei ihr Mann soeben Mitinhaber der Firma Stockes & Yarker geworden.
    Tausend Möglichkeiten schossen durch sein Hirn, wie er sich ihr gefahrlos nähern könnte, aber alle verwarf er, getreu seinem Grundsatz, lieber tausend Prozent Vorsicht zuviel als ein Prozent zuwenig aufzuwenden.
    Neben dem Hotel standen einige Rikschamänner mit ihren leichten Fahrzeugen. Wenn er mit einem die Rollen tauschte, dann würde er, wenn Polly erschien, sich herandrängen, um mit ihr im rasenden Tempo davonzufahren, bis die Gegend einsam genug war, daß er ihr um den Hals fallen konnte. Da aber in diesem Moment ein mindestens drei Zentner schwerer holländischer Pflanzer aus dem Hotel trat und schnaufend auf eines der Wägelchen kroch, sah Peter Voss auch von diesem Plane ab.
    Es war ihm überdies schon was Besseres eingefallen. Der alte, lahme, kahlköpfige Bettler schien ihm für einen Rollentausch geeigneter zu sein. Fast jeder Hotelgast, der aus dem Portal trat, legte dem Unglücklichen etwas auf das breite Sammelbrett. Der Mann brauchte gar nicht den Mund aufzutun. Peter Voss beobachtete ihn längere Zeit sehr genau und prägte sich seine Gesten und seine bejammernswerte Miene ganz genau ein. Er sah auch wirklich rein zum Erbarmen aus. Über dem linken Auge klebte ihm ein schwarzes Pflaster, und die Finger seiner Hände waren von irgendeiner schrecklichen Krankheit nach den verschiedensten Richtungen krumm gezogen.
    ›Der Kerl hat einen guten Job‹, dachte Peter Voss und zählte in Gedanken seine wenigen Yenstücke. ›Was er wohl dafür verlangt, um mich ein paar Stunden an seinen Platz zu lassen? Ich könnte ihm ja auch die Hälfte der Einnahmen geben.‹
    Und er wartete. Als die Hitze am heftigsten stach und das Leben auf der Straße und vor dem Hotel einschlief, setzte sich der lahme Bettler auf allen vieren in Bewegung. Dicht bei Peter Voss kam er vorbei. Seine Hände stützte er auf zwei Griffbrettchen, das Sammelholz hielt er zwischen den Zähnen. Peter Voss nahm sofort seine Verfolgung auf. An der dritten Straßenecke aber gab es für ihn eine große Überraschung. Der Bettler sprang urplötzlich auf seine zwei gesunden Beine, steckte die Handstützen und die Sammellöffel ein, riß das Pflaster von seinem linken Auge und trabte mit einer bewundernswerten Schnelligkeit davon.
    ›Na warte, du Schwindler!‹ dachte Peter Voss und sauste hinter ihm her. ›Jetzt habe ich dich!‹
    Und er erwischte ihn glücklich, als der so wunderbar schnell geheilte Krüppel in einem niedlichen Häuschen verschwinden wollte. Der Japaner erschrak furchtbar, als er sich ertappt sah. Er konnte genug Englisch, um die Drohungen Peters zu verstehen, und zitterte vor Angst. Als Peter Voss ihn erst so weit hatte, zog er sanftere Saiten auf und machte ihm begreiflich, daß er ihn auf ein paar Stunden vertreten müsse, um eine Wette zu gewinnen.
    »Tausend Dollar!« rief Peter Voss und hantierte mit allen zehn Fingern durch die Luft, um dem Bettler diese schwindelerregende Zahl begreiflich zu machen. »Die Hälfte sollst du haben!«
    Das wirkte. Der falsche Krüppel zog Peter Voss in sein Häuschen und entwickelte eine fabelhafte Schnelligkeit und Geschicklichkeit, aus dem Fremden einen echten Bettler zu machen. Er schor ihn kahl, schmierte ihn mit einer braunen Salbe ein, klebte ihm das linke Auge zu und behängte ihn mit seinen Lumpen.
    »Starker Tobak!« sagte Peter Voss, als er sich in einem Spiegelscherben betrachtete. »Ich sehe nicht gerade zum Verlieben aus. Wenn sie nur nicht in Ohnmacht fällt.«
    Dann ließ er sich von dem Mann einen Bleistift geben und schrieb auf die eine Seite des Bettelbretts: »Liebe Polly: Erschrick nicht zu sehr. Ich bin Peter.«
    Den Bleistift steckte er ein. Dann ließ er sich von dem Bettler an die Straßenecke bringen, wo unbedingt mit dem Kriechen begonnen werden mußte. Er krümmte seine Finger zu abenteuerlichen Gebilden, packte damit die Handstützen, nahm den Gabenlöffel, mit der Schrift nach unten, zwischen die Zähne und kroch mit einer Gewandtheit und Sicherheit durch das inzwischen wieder erwachte Straßengewühl, als wenn er sich seit seinem ersten Lebensjahr nicht anders als auf allen vieren fortbewegt hätte.
    ›Etwas mühsam‹, dachte er und spuckte einem Kurumaya, der ihm zu nahe gekommen war, auf die staubigen Füße.
    Endlich hockte er auf dem blankgescheuerten Parkettplatz vor dem Nippon-Hotel.

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