Peter Voss der Millionendieb
er und küsste sie zum Abschied. »Es kommt alles auf die Schiffsverbindungen an. Aber wenn es sich irgendwie arrangieren läßt, dann wird es eine ganz tolle Geschichte. Denn je toller eine Sache, umso eher gelingt sie.«
Er begleitete sie bis auf die Straße, wo der Rikschamann, mit dem sie hergekommen war, noch wartete, und verabschiedete sich von ihr wie von einer fremden Dame, die er auf den rechten Weg gebracht hatte.
Dann nahm er die neueste Nummer der Tokio-Times, die sie ihm mitgebracht hatte, und studierte die Schiffahrtspläne. Dank seiner Fixigkeit und seiner seemännischen Sachkenntnis hatte er bald eine brauchbare Kombination gefunden. In drei Tagen lief von Yokohama der US-Dampfer Klondyke über die Hawaii-Inseln nach San Franzisko und hatte in Honolulu Anschluss an den englischen Dampfer King Edward, der von den Philippinen kam und nach Valparaiso ging.
Vierundzwanzig Stunden vor der Klondyke ging ein Dampfer der japanischen Konkurrenzreederei von Yokohama über Honolulu nach San Franzisko. Die Hafenverhältnisse in Honolulu kannte Peter Voss genau, er war als Matrose schon zweimal dort gewesen. Auch die alte King Edward hatte er schon dort getroffen.
***
Am nächsten Abend liefen in Rothenburg beim Oberlandgerichtsrat a.D. Patsch kurz hintereinander zwei Telegramme ein, das eine aus Tokio, das andere aus Yokohama. Die Haushälterin geriet sofort in eine begreifliche Aufregung. Der Oberlandgerichtsrat, der auf seine Erholungsreise verzichtet hatte, um immer auf dem Posten zu sein, öffnete das erste. Es stammte von Peter Voss und lautete nach der Dechiffrierung also: »Herzliche Grüße aus Tokio, wo Polly und Dodd im Nippon-Hotel. Zippel steckt mit Dodd unter einer Decke. Also Vorsicht. Grüße sie von Dodd und sage ihr seine Adresse. Dieses Telegramm verbrennen. Das andere auf dem Schreibtisch liegenlassen. Daß du das Geld schickst, ist nicht unbedingt nötig.«
Der Oberlandgerichtsrat öffnete das zweite Telegramm, das folgende unchiffrierte Mitteilung enthielt: »Muß noch heute über Honolulu nach Valparaiso. Schicke sofort sechstausend Mark dorthin an Kosmos-Agentur unter Franz Müller.«
Der Onkel überlegte ein wenig. Als erfahrener Jurist hatte er den springenden Punkt bald erfasst. Die Hauptsache war nicht das Geld, sondern die Übermittlung des zweiten Telegramms an Dodd. Der Mann sollte irregeführt werden. Dazu brauchte es nicht der Mitwirkung der unverehelichten Zippel. Es war jedenfalls unsicher, ihr die Zurückbeförderung des Telegramms anzuvertrauen. Schon die hohen Telegrammgebühren konnten sie kopfscheu machen.
Darum verzichtete der Oberlandgerichtsrat darauf, ihr den fingierten Gruß zu übermitteln, steckte beide Telegramme ein und ging zu seinem Bankier, um sechstausend Mark für Franz Müller nach Valparaiso übermitteln zu lassen. Dann begab er sich auf die Post, wo er, um unliebsames Aufsehen der Beamten zu vermeiden, das zweite Telegramm nach dem alten Schlüssel chiffrierte und an Bobby Dodd sandte. Auf dem Heimweg zerriss er die beiden Telegramme in kleine Stücke und warf sie in den Stadtgraben. Die Haushälterin hatte diesmal das Nachsehen.
Das gut geölte Sicherheitsschloss war fertig zum Einschnappen.
Dodd entzifferte das Telegramm mit leichter Mühe und stürzte sich mit Vehemenz auf die Schiffslisten. Daß sich Peter Voss die sechstausend Mark nach Valparaiso und nicht nach Honolulu erbeten hatte, war Dodd durchaus verständlich. Honolulu gehörte zum Hoheitsgebiet der Vereinigten Staaten.
Der japanische Dampfer, mit dem Peter Voss dem Telegramm zufolge abgefahren sein mußte, war schon zwölf Stunden in See. Dodd belegte für sich und Polly zwei Kabinenplätze auf der Klondyke und kabelte den Steckbrief des Millionendiebes nach Honolulu.
»Ich habe seine Spur wiedergefunden!« berichtete er stolz Polly. »Hoffentlich erwische ich ihn schon in Honolulu. Sonst müssen wir nach Valparaiso. Auf jeden Fall will ich zwei Plätze auf der King Edward reservieren lassen. Es wäre ja möglich, daß er eine andere Route eingeschlagen hat. Dann erwarten wir ihn in Valparaiso.«
Polly war alles recht. Sie fühlte instinktiv, daß sie diesmal nur eine stumme Rolle hatte, aber sie spielte sie meisterhaft.
Peter Voss, der sich inzwischen seine amerikanischen Papiere nach Tokio hatte nachschicken lassen, befand sich nicht auf dem japanischen Dampfer, sondern auf der Klondyke, und zwar als Trimmer unter dem Namen Ralph Smithson. Peter Voss hatte das japanische Kostüm
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