Peter Walsh - Gesamtausgabe Teil 1 - 4 zum Sonderpreis, Thriller (German Edition)
nicht Nina, sondern ein Mann. Ein großer Mann, der recht kräftig schien. Wer mochte dieser Mann sein? Walsh versuchte, sich sein Gesicht einzuprägen. Der andere Mann hatte die Tür abgeschlossen und ging jetzt vor Walsh her. Noch immer konnte er sein Gesicht nicht sehen. Aber der Mann schien älter als Walsh zu sein, und deutlich kleiner.
Dann öffnete der Unbekannte eine weitere Tür. Walsh hörte ein Mädchen schreien. Nina! , waren seine angsterfüllten Gedanken. Er spürte die Gabe stärker denn je. In diesem Raum konnte nur Nina sein. Und sie schrie! Aber warum schrie sie? Walsh geriet in Panik - eilig rannte er zu der Tür. Er wollte Gewissheit haben. Am liebsten hätte er diesen kleinen Mann am Hals gepackt und sein Genick gebrochen. Doch leider ging das nicht. Das war die andere Seite der Gabe. Er sah schreckliche Dinge, die gerade passierten, aber er konnte in dem Moment nicht einschreiten.
Das bedeutete, wenn dieser Mann Nina jetzt quälen würde, wäre er zum Zusehen verdammt und könnte nichts daran ändern. Nina würde diese Qualen wirklich durchleben. Die Gabe konnte ihn nicht durch die Zukunft reisen lassen, sondern nur durch die Gegenwart. Walsh war nur noch zwei Schritte von der Tür entfernt. Er hielt kurz inne. Wollte er das wirklich sehen? Wollte er sehen, wie jemand sein Baby quälte während er nichts unternehmen könnte, um das zu verhindern?
War sein Geist bereit, das zu ertragen? Er hatte keine Antwort darauf, aber er musste es sehen. Er musste sehen, wer dieser Mann war, und er musste wissen, ob es wirklich Nina war, die da schrie. Und wenn sie es war, vielleicht spürte sie die Gabe und es gelang ihr, trotz der Qualen, die sie wohl gerade erlebte, Kontakt mit ihm aufzunehmen.
Walsh hatte keine andere Wahl, als auch die letzten zwei Schritte zur Tür zu wagen. Und dann blickte er ins Zimmer. Seine Beine zitterten. Was wohl Melanie dachte, wenn sie sah, dass Walsh Beine zitterten, dass seine Stirn anfing zu schwitzen und dass ihm kalt war? Er hoffte, dass sie ihn nicht zurückholte, dafür war es noch viel zu früh.
Und dann sah er das schreiende Mädchen. Doch es war nicht Nina. Walsh Gefühle spielten verrückt. Auf der einen Seite war er glücklich, dass es nicht sein Baby war, das hier schrie, auf der anderen Seite konnte er es sich nicht erklären, weil die Gabe so stark war. In diesem Raum konnte nur Nina sein, aber es war nicht Nina. Melanie hatte ihr ein aktuelles Foto von Nina gezeigt und das Mädchen war nicht Nina. Aber dieses Mädchen war gefangen und dieses Mädchen hatte große Angst. Warum sonst sollte sie schreien? Er warf einen Blick auf ihr schmutziges, mit Blutflecken übersätes Kleid. Sie musste schon länger in diesem Kellerraum gefangen gehalten worden sein. Und die Blutflecken verhießen nichts Gutes.
Hatte sich Walsh letzten Endes geirrt und dieses Mädchen war die, die ihn gerufen hatte? Verfügte dieses Mädchen auch über die Gabe?
Aber wenn dem so war, wo war dann Nina? Walsh folgte dem Mann in den Raum. Das Licht ging an und Walsh konnte erkennen, dass das Mädchen nicht alleine war. Auf der anderen Seite des Raumes lag noch ein zweites, jüngeres Mädchen auf einer Matratze. Sie hatte ihren Rücken zu ihm gedreht. Wie alt mochte das Mädchen sein? Fünf, sechs?
Wieder begann Walsh´ Herz schneller zu schlagen. Er spürte die Gabe und erkannte das Ende des Bandes an dessen Ende dieses Mädchen lag. Ihr Gesicht konnte er nicht sehen, aber sie musste es sein. Dennoch: Er brauchte Gewissheit.
Der kleine Mann im Raum rüttelte an dem kleinen Mädchen. Walsh wollte den Mann anschreien, dass er das Mädchen nicht anfassen solle, aber es war ein stummer und hilfloser Schrei aus unendlicher Ferne. Das Mädchen reagierte auf die Berührung und drehte sich zu dem Mann um. Walsh fürchtete, dass sein Herz gleich explodieren würde. Tränen bemächtigten sich seiner. Er sah sie: Es war seine Tochter Nina!
Kapitel 54
Tag 3 nach der Entführung, irgendwo, 10:35 Uhr
Schmitt konnte nicht glauben, was er eben gehört hatte. Sie hatten Nina gar nicht entführt, weil sie sie schänden wollten? Konnte das wirklich die Wahrheit sein, oder war das wieder nur eine dieser Lügen, die scheinbar ständig über Carlos Lippen kamen? Carlos, mit seinem südländischen Charme, konnte einen leicht mit Worten überzeugen. Schmitt war der beste Beweis dafür. War er ihm doch glatt auf den Leim gegangen. Und wie es aussah, würde er für diese Dummheit mit dem Leben
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