Peter Walsh - Gesamtausgabe Teil 1 - 4 zum Sonderpreis, Thriller (German Edition)
Und wie viele Opfer, mit denen man tiefstes Mitgefühl hatte, stellten sie sich am Ende als Täter heraus. Nein, nein - Wolke konnte und wollte sich kein Mitgefühl leisten. Wenn der Täter gefasst war, dann konnte man seinetwegen die Mitgefühlsmelodie laufen lassen. Ja, es war schlimm, dass Frau Vogel ihre Tochter am helllichten Tag verloren hatte und sie hatte alles Recht, traurig und am Boden zerstört zu sein. Aber vielleicht lebte ihre Tochter noch, daher musste die Polizei alles unternehmen, um jeder Spur nachzugehen. Und das bedeutete auch, Frau Vogel in die Ermittlungen miteinzubeziehen. Derzeit war sie die wichtigste Zeugin. Die einzige.
Vielleicht ist aber Kraft doch genau der Richtige, dachte er. Vielleicht konnte ein verständnisvoller Polizist bei Frau Vogel die richtigen Informationen abrufen.
„Prochnow, wir beide werden uns gleich zu P&C machen. Die sollen uns die Liste sämtlicher männlicher Mitarbeiter geben, die in Köln arbeiten, und die externer Firmen, die Zugang zu den Kameraräumen haben.“ Prochnow nickte nur kurz und gönnte sich einen Schluck aus dem Pott, den er aber schnell wieder zurückstellte.
Wolke lachte kurz auf.
„Kalt ... haha ... meiner auch. Scheiße, man. Wenn wir den Fall aufgedeckt haben, bekommt ihr alle ein paar Tage frei. Aber wir müssen den knappen Zeitvorteil nutzen, ehe die Presse uns im Nacken sitzt. Noch können wir vielleicht gewinnen. Jeder weiß, was er zu tun hat. Wir treffen uns um 21 Uhr zur Teambesprechung. Bruhns, Kraft - wenn ihr nach der Vernehmung das Gefühl habt, dass wir eine Person sofort aufsuchen sollten, gebt Bescheid. Ich habe hundert Polizisten, die ich jederzeit abrufen kann. Nina hat höchste Prio.“
Bruhns und Kraft nickten, aber sie wussten, dass dies kaum realistisch war. Sie und die hundert Polizisten, die abgestellt worden waren, hatten gestern bis spät in die Nacht vergeblich nach Spuren gesucht. Das bedeutete, dass sie wohl oder übel erst mal auf sich selbst gestellt waren. Die extra Portion Manpower würde erst dann wieder aktiviert werden können, wenn sie eine wirklich heiße Spur und die Drecksarbeit gemacht hatten.
„Chef?“
„Ja, Miehle?“
„Es gibt noch was.“
„Was?“
„Ein Detektiv war heute Morgen im Büro.“
„ Ein was, bitte ...?“
„Nun, ein Detektiv. Er kam mit einer Vollmacht von Frau Vogel und wollte Akteneinsicht.“
„Scheiße, das hat uns noch gefehlt, dass so ein Amateur unsere Arbeit behindert. Ich hoffe nicht, dass du ...“
„Nein Chef, habe ich nicht. Aber er war sehr hartnäckig. Einer dieser Übermotivierten.“
„Übermotiviert?“, fragte Wolke skeptisch und verzog seine Augenbrauen.
Er kannte diesen Schlag von Möchtegern Detektiven, die dachten die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Detektiven würde wie in Hollywood Filmen ablaufen, wobei natürlich die Polizei die dummen, naiven waren, die auf die Hilfe der Detektive angewiesen waren. Die Realität sah aber ganz anders aus.
„Ja, der hat einfach nicht locker gelassen.“
„Was hast du ihm erzählt?“
„Nichts. Nur, dass die Staatsanwaltschaft dafür zuständig ist. Er wollte sich aber nicht abspeisen lassen. Er meldet sich um 17 Uhr nochmal und will mit dir sprechen.“
„Soll er, dem ziehe ich schon seinen Zahn.“
„Vielleicht solltest du noch wissen, dass er mit der Presse gedroht hat.“
„Scheiße. Aber gut, ich kümmere mich um ihn. Wenn nichts mehr ist, alle an die Arbeit.“
Die Stimmung war nun für Wolke vollends hinüber. Als ob er nicht schon genug Druck hätte. Ein Mädchen, das mitten am Tag vor den Augen vieler Einkaufswütiger verschwand, und nun auch noch ein Detektiv, der mit der Presse drohte. Er konnte diese Störfeuer nicht gebrauchen. Er würde sich mit dem Detektiv unterhalten und dann selbst beurteilen, ob er bluffte oder ob er es ernst meinte.
Wenn er für die Vogels ermittelte, dürfte es nicht in seinem Interesse liegen, dass die Presse Wind davon bekam. Wenn die Presse sich erst auf diese Kindesentführung einschießen würde, wäre Ninas Tod besiegelt.
Viele Entführer bekamen es mit der Panik zu tun, sobald sie erfuhren, dass ihr Verbrechen in den Medien breitgetreten wurde. Ein Psychologe hatte Wolke das mal damit erklärt, dass die meisten Entführer keineswegs irgendwelche Supergenies sind, sondern eher durchschnittliche Menschen, die oftmals ein Trauma niemals verarbeiten konnten. Sei es, dass sie als Kind selber Opfer von Gewalt waren, oder auch nur der
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