Peter Walsh - Gesamtausgabe Teil 1 - 4 zum Sonderpreis, Thriller (German Edition)
seinen Neffen geschändet hat. Mensch, wie konntet ihr so einen Anfängerfehler machen?“
„Ich denke nicht, dass der Onkel irgendetwas damit zu tun hat“, antwortete Kraft in der Hoffnung, dass Wolke nicht einen seiner gefürchteten cholerischen Anfälle bekam.
„Und wie kommst du auf diese These?“ Wolke nahm einen Schluck des inzwischen kalt gewordenen Kaffees. Angewidert würgte er ihn herunter.
„Der Bruder von Melanie Vogel ist geistig zurückgeblieben.“
„Waas?“, schrie Wolke.
„Nun, er ist geistig und körperlich behindert. Ein Schwachkopf.“
„Bruhns! Ich weiß was das bedeutet!“, fauchte Wolke sie an.
„Sorry Chef, ist halt schon spät. Aber ich teile Krafts Meinung nicht. Wieso vergisst man, seinen Bruder zu erwähnen?“
„Weil er behindert ist und Melanie Vogel sicherlich keinen Grund sieht, warum wir mit ihm sprechen sollten“, erwiderte Kraft.
„Nun, ist mir nicht plausibel genug. Vor allem was für eine Behinderung hat er? Wir haben bereits Akteneinsicht beim Versorgungsamt über seine Behinderung eingefordert. Er ist derzeit bei der Lebenshilfe, wurde uns mitgeteilt“, verteidigte Bruhns seine Annahme.
„Sorry, Kraft, aber ich muss da Bruhns zustimmen. Nur weil er behindert ist, bedeutet es nicht, dass er nicht der Täter ist. Denkt doch bitte nur an den Mordfall Peggy Knobloch. Ihr Täter war der geistig behinderte Ulvi Kulac“, bestätigte Miehle die Annahme von Bruhns und wurde dafür mit einem Lächeln belohnt. Kraft schien etwas auf der Zunge zu liegen, aber er verkniff sich einen Kommentar.
„Ich gebe Bruhns und Kraft recht. Solange wir nicht wissen, was für eine Behinderung vorliegt, ist er mit im Kreis der Verdächtigen. Und der Fall Peggy sollte uns sensibilisieren. Ich erinnere mich sehr gut an den Fall, da hatte auch erst jeder gedacht, dass ein Behinderter mit einem IQ unter siebzig keinen Mord begehen könne. . Ganz einfach: Mord kann auch ein Kind begehen, siehe Amerika, wo kleine Kinder ihre Brüder erschießen. Mord hat nichts mit IQ zu tun und bei Sexualstraftaten wissen wir doch alle, dass es die sexuelle Lust ist, die die Taten verursacht. Und sexuelle Lust hat jeder Mensch, egal ob behindert oder nicht. Bruhns und Kraft, ich will, dass ihr morgen früh den Bruder gleich als erstes aufsucht. Macht euch selbst einen Eindruck von seiner Behinderung.“
„Ok, Chef“, antwortete Bruhns. Kraft nickte nur. Wolke sah an seinem Gesichtsausdruck, dass ihm das nicht schmeckte. Aber Wolke hatte es so entschieden, also mussten es seine Mitarbeiter auch durchführen und Bruhns Argumentation war für ihn nicht abwegig. Behinderung hin oder her, warum erwähnte Melanie Vogel nicht auch ihren Bruder? Wollte sie ihn wirklich nur schützen? War es für sie vielleicht absurd, ihn zu nennen? Oder waren dies Hinweise, erste Gewitterwolken auf eine fürchterliche Familientragödie, dessen Opfer Nina war? Der Fall Peggy genügte, um dieser Spur nachgehen zu müssen! Wolke rieb sich an der Schläfe. Auch er war müde und er sah in den Gesichtern seiner Mitarbeiter, dass es ihnen nicht anders ging. Gleich würden alle ihren verdienten Schlaf bekommen. Jedoch würde das wenig an der Tatsache ändern, dass auch die nächsten Tage kurze Nächte mit sich brachten. Vielleicht waren es nicht nur Tage, sondern Wochen und Monate. Er musste an die Presse denken, als er von Prochnow aus seinen Gedanken geholt wurde.
„Chef, wir müssen uns auch Gedanken über die Presse machen. Wenn wir morgen die Namen auf der Liste abarbeiten, wird sich die Entführung wohl nicht mehr lange geheim halten lassen.“
Wolke wusste, dass er Recht hatte. Die Entführung lag bereits 36 Stunden zurück. Nina blieben wahrscheinlich noch maximal 60 Stunden, bis man sich ernsthaft darauf einstellen musste, ihre Leiche irgendwo zu finden. Wenn die Presse davon Wind bekam, würde das eher gegen Ninas Chancen sprechen. Aber vielleicht lag hier ja auch gar kein Sexualdelikt vor, sondern eine Entführung, mit der Absicht, die Kleine einzusperren, zu quälen und als Sexspielzeug bei sich zu behalten. So fürchterlich dieser Gedanke klang, für Wolke bedeutete dies aber Zeit. Zeit, um Nina lebendig zu finden. Und wenn er ehrlich war, war ihm diese Option lieber. Er war Polizist, trug den Dienstgrad des Kriminalhauptkommissars. Und sein Job verpflichtete ihn Täter zu überführen und den Gerichten auszuliefern, damit sie ihre gerechte Strafe erhielten und vor allem Opfer zu schützen
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