Pfad der Schatten reiter4
schwiegen weiterhin. Yates trommelte mit seinen Zehen im Rhythmus einer unhörbaren Musik. Niemand fragte sie nach den Abenteuern, die sie erlebt hatte, während sie von der Gruppe getrennt gewesen war. Yates musste ihnen schon alles erzählt haben. Trotzdem war die Spannung deutlich spürbar. Grant hatte sich absolut nicht bewegt und schien völlig auf das Lagerfeuer fixiert.
Graelalea kam aus ihrem Zelt und stellte sich vor sie hin, die Hände in die Hüften gestemmt. Ealdaen schob sich näher heran und Solan und Telagioth tauchten aus dem Wald auf.
»Der Tag wird schon alt«, verkündete sie. »Es ist Zeit weiterzugehen. Die Frage ist, werden Sie uns begleiten?« Diese Frage richtete sie an Grant.
Endlich bewegte er sich und sah zu ihr auf, die Augen von dunklen Ringen umschattet. Obwohl es nicht besonders warm war, rann ihm der Schweiß übers Gesicht.
»Fragt ihn.« Er nickte in Lynx’ Richtung. »Er scheint zu glauben, dass er das Kommando hat.«
Nanu!, dachte Karigan. Graelalea hatte eine Diskussion erwähnt, aber keinen Machtwechsel. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass der sanfte, wortkarge Lynx beschlossen hatte, den Oberbefehl zu übernehmen. Sie sah zu Yates hinüber, auf dessen Gesicht sich ein nervöses Lächeln zeigte. Sie würde ihn später fragen, was passiert war.
»Ich habe das Kommando über das sacoridische Kontingent dieser Expedition übernommen«, bestätigte Lynx. »Mein Adjutant ist Karigan G’ladheon.«
Karigan ließ fast ihren Teebecher fallen. Adjutant, an zweiter Stelle in der Rangordnung? Eine weitere Überraschung, aber nicht ganz unlogisch. Wenn Grant in Ungnade gefallen war, konnte er zweifellos nicht den zweiten Rang bekleiden, und Ard gehörte weder zum Militär, noch stand er im Dienst des Königs. Also blieb nur sie übrig.
»Wie lautet also Ihr Beschluss, Reiter Lynx?«, fragte Graelalea.
»Wir werden mit Euch bis zum Schloss Argenthyne vordringen, wie es dem Wunsch unseres Königs entspräche.«
Graelalea nickte, als wäre nichts weiter dabei.
Karigan seufzte erleichtert auf, weil zumindest eine Entscheidung getroffen worden war.
»Selbstmord«, brummte Grant. »Ihr werdet nichts als Ruinen und Tod finden. Ihr solltet diese Schläfer vergessen.«
»Das ist nicht möglich«, sagte Ealdaen. »Das kann ich nicht, und ich will es auch nicht. Ich war dabei, als wir sie zurückließen.«
Seine Worte blieben in der Luft hängen, bis alle begriffen hatten, was er gesagt hatte und was es bedeutete.
»Ihr wart also dabei, als …«, begann Karigan.
»Jawohl«, antwortete er. Seine silbrigen Augen hatten die stumpfe Farbe von kaltem Zinn angenommen. »Ja, ich war dabei, als Mornhavon uns angriff. Ich führte den Rückzug an. Ich überließ die Schläfer ihrem Schicksal, und … und die Herrin ebenfalls.« Er wandte sich rasch ab.
Damit hatte er Laurelyn gemeint. Die Königin von Argenthyne.
»Wir müssen das Lager abbrechen und das Licht nutzen, das uns noch bleibt«, mahnte Graelalea.
Karigan wollte den anderen helfen, aber Lynx befahl ihr, sich auszuruhen, solange sie konnte. Da Yates kaum etwas tun konnte, blieb er neben ihr sitzen und erzählte ihr leise von der
sogenannten Diskussion über ihre Aufgabe, die sie verpasst hatte.
»Der Mann ist nicht er selbst«, sagte Yates über Grant. »Er dreht allmählich durch. Er wollte zurück zum Wall marschieren, ohne den Weg zu kennen. Außerdem redet er andauernd von Nythlingen.«
»Nythlinge?«
»Wir haben keine Ahnung, was das ist«, sagte Yates achselzuckend. »Lynx sagt auch, dass Grant nur noch einen Arm benutzt, als würde der andere ihm wehtun.«
Karigan sah verstohlen zu, wie Grant sich ungeschickt an einem der Zelte zu schaffen machte, und es stimmte: Er benutzte seinen rechten Arm kaum.
»Jedenfalls«, fuhr Yates fort, »erklärte Lynx, dass unsere Aufgabe nicht erfüllt sei, bevor wir nicht bis zum Schloss Argenthyne und dem Hain der Schläfer vorgedrungen sind. Wie er gerade gesagt hat, wünscht der König, dass wir so viel Information sammeln wie irgend möglich. Grant meinte dazu, der König solle sich in die fünf Höllen scheren.«
Karigan hob eine Augenbraue. Ein solches Benehmen war für jemanden, der im Dienst des Königs stand und den Befehl über eine bestimmte Mission hatte, völlig unvertretbar.
»Daraufhin hat Lynx gesagt, dass er das Kommando übernimmt«, sagte Yates. Und dann fügte er stolz hinzu: »Ich habe ihn unterstützt. Ich möchte genauso gern wieder nach Hause gehen
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