Pfad der Schatten reiter4
eletischer Pfeil ragte aus seiner Kehle. Karigans Knie wurden ebenfalls weich.
Ealdaen tauchte aus dem Korridor auf, seinen Bogen in der Hand, und streifte Ard mit einem flüchtigen Blick, bevor er über die Leiche des Forstmeisters hinwegstieg.
»Ich habe gesehen, dass er Ihnen gefolgt ist«, sagte Ealdaen. »Er hat sich schon die ganze Zeit für Sie interessiert, aber da ich die Sitten Ihres Volkes nicht kenne, konnte ich seine Absicht nicht erraten. Bis jetzt.«
Karigans Hand, die das Knochenholz umklammerte, war kalt und feucht. So viel Verrat auf einmal konnte sie nicht verarbeiten. Ard war ein Mörder, mit dem Segen Estoras. Estora, die ihre Freundin gewesen war.
Und nun war sie allein mit Ealdaen, der schon einmal versucht hatte, sie umzubringen. Er ging auf sie zu.
»Habt Ihr Ard getötet, damit Ihr mich persönlich ermorden könnt?« Sie schüttelte den Knochenholzstab zu seiner vollen Länge aus und nahm eine verteidigungsbereite Haltung ein.
Ealdaen blieb mit einem leicht amüsierten Gesichtsausdruck stehen. »Sie sind manchmal wirklich schwer zu verstehen, Sie und Ihr Volk. Ich bin nicht hier, um Sie zu töten, Galadheon, sondern um Ihnen zu helfen. Der Grund dafür, dass ich Sie in der Vergangenheit gejagt habe, existiert nicht mehr. Sie sind inzwischen frei von der verderbten, wilden Magie.«
Karigan atmete tief aus und entspannte ihre Haltung.
»Omen und Prophezeiungen sind nicht in Stein gemeißelt«, fuhr Ealdaen fort. »Ein Fluss kann seinen Lauf ändern. Sie
sind besonders unberechenbar, Galadheon, und nicht einmal die Prophezeiungen des Kronprinzen konnten Sie einordnen.«
»Vielleicht sind Eleter zu unflexibel«, versetzte Karigan, die nicht so schnell bereit war, jemandem zu verzeihen, der sie aufgrund irgendeiner unzuverlässigen Prophezeiung beinah ermordet hätte.
Er senkte den Kopf und akzeptierte ihre Worte widerspruchslos. »Es steht fest, dass Sie hier eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen haben, die ich erst allmählich zu begreifen beginne. Graelalea muss das geahnt haben, denn sie hat Ihnen eine ihrer Federn gegeben. Außerdem hat Laurelyn Sie berührt.«
Er hatte recht, eine Aufgabe wartete hier auf sie, eine Bestimmung, die ihr eine gespenstische Erscheinung in einer Winternacht auf dem Pfeilwiesenweg auferlegt hatte. Sie wusste nicht, warum sie sich bisher nicht daran erinnert hatte, aber es war bitter, dass schon wieder irgendwelche Mächte von außerhalb ihr Leben bestimmten. Später würde sie versuchen, ihre diesbezüglichen Gefühle zu analysieren, aber jetzt gab es dringendere Probleme.
»Ich bin hier, um den Schläfern zu helfen«, sagte sie. »So hat man es mir gesagt.«
»Wer hat das gesagt?«
»Eine Frau, die von Licht umgeben war.« Karigan war sicher, dass diese Worte für jeden anderen und in jeder anderen Situation unverständlich gewesen wären.
»Ich finde es interessant, dass Sie ganz allein den Weg in diesen Raum gefunden haben.«
»Wieso?«
Ealdaen zog seinen Mondstein hervor und ging zur Mitte der Kammer. Als er sich bewegte, huschten die Schatten im Licht des Mondsteins ebenfalls, und die Statuen schienen ihm mit ihren Blicken zu folgen; sie sahen aus, als schlügen sie mit
den Flügeln, um emporzufliegen. Aus dem Quarz des Bodenmosaiks erhoben sich Wände aus durchsichtigem Licht.
»Eine kleinere Version davon haben Sie schon in Telavalieth gesehen«, sagte Ealdaen. »Sie haben es als Monduhr bezeichnet. Dies ist die Monduhr des Schlosses Argenthyne.« Sein Blick streifte das Skelett, das in der Nähe seiner Füße lag. »Ich kannte alle, die diesen Turm verteidigt haben. Sie haben bis zuletzt standgehalten. Doch leider ist die Burg gefallen.« Er ließ einen Blick erneut durch den Raum wandern. »Das Gnomon fehlt. Genau wie in Telavalieth.«
Die Mondphasen schimmerten in dem Licht, das den Boden überflutete, und auch die Sterne, sodass sich der Fußboden in eine Sternenkarte verwandelte. Darunter, genau in der Mitte des Raumes, befand sich ein großes, rundes Stück Quarz, das aufgrund seiner subtilen Schattierungen genauso aussah wie ein voller Silbermond. Das Ganze war wesentlich größer als die Monduhr von Telavalieth.
»Wie würdet Ihr die Schläfer denn aufwecken?«
Ealdaen senkte seinen Mondstein, und sie hatte das alarmierende Gefühl, dass sich die Welt zugleich mit dem Licht verschob.
»Wir würden für sie singen«, antwortete er.
»Das ist alles?«
»Es gibt ein ganz bestimmtes Lied dafür, und man muss es auf ganz bestimmte
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