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Pfad der Schatten reiter4

Pfad der Schatten reiter4

Titel: Pfad der Schatten reiter4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: britain
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geschäftigen Hafens waren lediglich sanfte Erhebungen unter der Schneedecke.
    Möwen standen reihenweise vor den Werften, und Wellen klatschten gegen hölzerne Schiffsrümpfe. In einiger Entfernung entdeckte Karigan eine Gruppe Eiderenten auf dem Wasser, völlig unbeeindruckt von den Strömungen, die der Sturm verursacht hatte. Die Sonne würde bald untergehen, die Ränder der Haufenwolken färbten sich schon orange, und die kleinen Inseln draußen vor dem Hafen waren nur noch mit Tannen und Fichten gekrönte Silhouetten.
    Eine verfallene Burg aus dem Zweiten Zeitalter ragte kantig über die Landspitze einer größeren Insel, die vor dem Hafeneingang lag wie ein geisterhafter Wachtposten, dem kein vorbeifahrendes Schiff entging. Mordivelleo L’Petrie, ein Klanhäuptling der alten Zeit, hatte diese Burg gebaut. Er hatte den
Wert des Hafens erkannt und ihn tapfer gegen alle verteidigt, die ihm seine Herrschaft darüber streitig machen wollten, insbesondere Piraten und Eroberer aus fremden Ländern. Als er einen besonders brutalen Angriff des Unteren Reiches zurückgeschlagen hatte, wurde er offiziell zum Prinzen der Region ernannt, zu der der Hafen gehörte und die die heutige Provinz L’Petrie bildete.
    Karigans Blick glitt über die sichelförmigen Konturen des Ufers. Direkt an der Mündung des Flusses Grandgent lagen die Kriegsschiffe der sacoridischen Marine und die Werften, in denen sie gewartet wurden. Es war ein Beweis für die Wichtigkeit Corsas, dass die größte Flotte der Marine dort stationiert war, um den Hafen, das Reich und den wichtigen Fluss gegen sämtliche Feinde zu verteidigen. Mordivelleo L’Petrie, dachte sie, wäre stolz gewesen.
    »Ich wollte dir das Gartenhaus erst zeigen, wenn du deinen Dienst beim König beendet hast«, sagte ihr Vater plötzlich. Der Sonnenuntergang tauchte sein Gesicht in ein orangefarbenes Glühen, und er blickte aufs Meer hinaus. »Aber ich hatte das Gefühl, es sei richtig, dich heute dorthin mitzunehmen. Ich hoffe, du hältst das Ganze für ein sinnvolles Unternehmen und wirst es aufrechterhalten, wenn deine Zeit als Erbin kommt. Viele der Bewohnerinnen sind schon weitergezogen und haben sich ein neues Leben aufgebaut.« Nach einer langen Pause fügte er hinzu: »Ich nehme allerdings nicht an, dass ich mich dadurch in deinen Augen reingewaschen habe.«
    »Hast du mich deshalb zum Gartenhaus mitgenommen?«, fragte Karigan.
    »Ich wollte nicht, dass du meine Beziehung zu Silva lediglich im Zusammenhang mit dem Bordell beurteilst.«
    »Und wie ist deine Beziehung zu Silva?«
    »Wir sind sehr alte Freunde.«
    »Und du bist ein Kunde in ihrem Bordell.«

    Ihr Vater antwortete nicht, sondern schlug mit den Zügeln und lenkte die Pferde vom Hafen fort.
     
    Sie ließen die Stadt hinter sich, und der Schlitten glitt in die Abenddämmerung. Mit dem Sonnenuntergang wurde die Luft spürbar kälter, und Karigan vergrub sich in die Decke. Die erhitzten Steine unter ihren Füßen waren längst kalt geworden.
    Sie würde aus ihrem Vater bezüglich des Bordells keine richtige Antwort herausbekommen. Er hatte ihr ja gesagt, dass es Dinge gab, über die er niemals mit ihr reden würde. Außerdem vermutete sie, dass sie die Einzelheiten gar nicht so genau wissen wollte. Am liebsten wäre es ihr gewesen, wenn nichts von alledem jemals geschehen wäre. Sie wünschte, dass sie niemals vom Goldenen Ruder gehört hätte, sie wünschte, dass ihr Vater die Verbindung mit dem Bordell abstreiten und ihr sagen würde, dass das alles lediglich ein großes Missverständnis gewesen sei.
    Aber das tat er nicht, und es war kein Missverständnis gewesen. Sie konnte wünschen, so viel sie wollte, aber nichts würde sich dadurch ändern.
    Dennoch, überlegte sie, bewirkte seine Verbindung zu dem Bordell und dessen Leiterin, dass er gute Werke tat und beispielsweise das Gartenhaus unterstützte, und seine Bemühungen retteten zweifellos Menschen wie Vera das Leben. Karigan mochte eine privilegierte Erziehung genossen haben, aber sie war nicht so naiv, dass sie die Notwendigkeit solcher Einrichtungen nicht erkannt hätte.
    Als sie darüber nachdachte, wurde ihr klar, dass sie bisher nur eine einzige, winzige Facette ihres Vaters gekannt hatte. Nun hatte sie erfahren, dass er genauso unergründlich und kompliziert war wie jeder andere Mensch.
    Sie war so vertieft in ihre Gedanken, dass ihr erst, als der Schlitten über eine holprige Stelle rumpelte, auffiel, dass ihr
Vater für den Heimweg nicht die

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