Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe: Roman (German Edition)
werde? Li ist ein toller Kerl!«
Ren rieb sich das Kinn und sagte leise: »Ja. Das finde ich auch.«
Von dieser Bemerkung überrascht, kreisten meine Gedanken auf der Heimfahrt um seine Worte. Ren parkte, half mir aus dem Wagen und verschwand wie gewohnt in seiner Haushälfte.
Es kam mir vor, als wäre ich von Rittern umgeben, die um meine Gunst buhlten. Während sie in ihren schimmernden Rüstungen herumliefen, ihre Lanzen wetzten und sich auf ihre Pferde schwangen, wog ich meine Alternativen ab. Letzten Endes hatte ich die Entscheidung in der Hand. Ich könnte den Gewinner des Turniers erwählen, den Verlierer oder keinen von ihnen. Aus Rens Sicht konnte ich diesen romantischen Wettstreit sogar nachvollziehen, zumindest ein bisschen. In seinem Jahrhundert kämpfte man wahrscheinlich tatsächlich um die Hand einer Frau. Und Rens Tigerinstinkte waren dafür verantwortlich, dass er alle ande ren Männchen vertreiben wollte. Womit ich nicht gerechnet habe, ist Lis Reaktion. Wer konnte ahnen, dass ich ihm so viel bedeute? Hätte Li einfach Schluss gemacht, hätte er mir meine Rolle in dieser kleinen Inszenierung jedenfalls ungemein erleichtert.
Als wir am nächsten Montag wieder zu Wushu gingen, schienen Li und Ren die stillschweigende Übereinkunft getroffen zu haben, einander keines Blickes zu würdigen. Sämtliche Teilnehmer beobachteten die beiden argwöhnisch, verloren jedoch das Interesse, als nichts weiter geschah. Weder Li noch Ren waren von nun an meine Sportpartner.
Li legte sich schrecklich ins Zeug, führte mich schick aus und organisierte aufwendige Picknicks. Ren war damit zufrieden, mich zu besuchen und gemeinsam etwas zu lesen oder einen Film auf DVD anzuschauen. Popcorn wurde zu seinem Lieblingssnack, und Ren zu einem Experten, was die Herstellung betraf. Wir sahen uns alte Filme an, und anschließend stellte er mir eine Menge Fragen. Ihm gefielen die unterschiedlichsten Filme, regelrecht süchtig war er nach Star Wars . Er mochte Luke und hielt Han Solo für einen Gauner.
»Er ist Prinzessin Leias nicht würdig«, sagte Ren, was mir ein tieferes Verständnis für seine Ritter-in-schimmernder-Rüstung-Mentalität einbrachte.
Am Freitagabend wollten Ren und ich gerade einen Film einlegen, da fiel mir plötzlich ein, dass ich ein Date mit Jason hatte. Ich sagte Ren, er müsse leider den Film ohne mich anschauen. Ren murrte verärgert, dann nahm er seine Tüte Popcorn und ging zur Mikrowelle.
Als ich in einem dunkelblauen Kleid, Riemchensandalen und geglätteten Haaren die Treppe herunterkam, sprang Ren auf und ließ seine Schüssel mit Popcorn zu Boden fallen.
»Warum hast du dich so herausgeputzt? Wohin gehst du?«
»Jason und ich gehen in Portland ins Theater. Außerdem dachte ich, wir hätten einen Nichteinmischungspakt in Bezug auf meine Dates geschlossen.«
»Wenn du dich derart kleidest, mische ich mich so viel ein, wie es mir passt.«
Es klingelte an der Tür, und als ich öffnete, tauchte Ren auf einmal hinter mir auf, um mir in den Mantel zu helfen. Jason trat schrecklich nervös von einem Bein aufs andere. Nervös beäugte er Ren, hielt aber den Kopf gesenkt.
»Äh, Jason, das ist Ren, ein Freund. Er ist zu Besuch aus Indien.«
Ren streckte die Hand aus und lächelte schroff. »Pass gut auf mein Mädchen auf, Jason …«
Ein sehr deutliches, wenn auch unausgesprochenes »andernfalls« war am Satzende angehängt.
»Äh … äh … Sicher.«
Ich schob Ren zurück ins Haus und knallte ihm die Tür vor der Nase zu. Eigentlich war es eine Erleichterung, mit Jason zusammen zu sein. Ich hatte nicht diesen unsäglichen Druck, den ich neuerdings im Zusammensein mit Li und Ren verspürte. Nicht dass sie mich bewusst unter Druck setzten. Insbesondere Ren schien über grenzenlose Geduld zu verfügen. Vermutlich hatte er das seiner Tiger-Hälfte zu verdanken.
Auf der Hinfahrt verloren weder er noch ich ein Wort über Rens Anwesenheit. Wir hörten Musik und starrten auf die Straße vor uns.
Im Theater schauten wir uns den König der Löwen an. Die Kostüme und Requisiten waren großartig, und ich erwischte mich mehrmals bei dem Wunsch, dass Ren anstelle von Jason neben mir säße.
Nach der Vorstellung strömten die Zuschauer aus dem Theater. Die Leute schlenderten gemächlich über die Straße und zwangen die Autos zu gefährlichen Ausweichmanövern. Einer älteren Dame fiel das Theaterprogramm aus der Hand, und sie bückte sich schwerfällig, um es aufzuheben, als ein Wagen um die Ecke
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