Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe: Roman (German Edition)
fürchterliches Date mit Artie. Ren und Artie waren so verschieden wie Tag und Nacht.
Als wir eine Lichtung überquerten, bemerkte ich, wie er die Nase in die Luft reckte. »Was riechst du?«
»Hm, ich rieche Bären, Pumas, Hirsche, mehrere Hunde, Pferde, Fische, viele Eichhörnchen, Wasser, Pflanzen, Bäume, Blumen und dich.«
»Stört es dich nicht, dass du all diese Gerüche so eindringlich wahrnimmst?«
»Nein. Man lernt, sie zu ignorieren und seine Aufmerk samkeit auf das zu richten, was man wirklich riechen möchte. Es ist dasselbe mit dem Hören. Wenn ich mich konzentriere, kann ich kleine Tiere unter der Erde graben hören, aber das blende ich aus.«
Wir erreichten die Double Falls, und Ren führte mich zu einem moosbewachsenen Felsen, einem perfekten Aussichtspunkt. Selbst in meinem dicken Mantel und meinen Handschuhen zitterte ich, und meine Zähne klapperten. Hastig schlüpfte Ren aus seiner Jacke und legte sie mir um die Schultern. Dann zog er mich an seine Brust und schlang die Arme um mich. Seine seidenweichen Haare kitzelten mein Gesicht, als er den Kopf an meine Wange senkte.
»Es ist beinahe so wunderschön wie du, Priya . Das hier ist so viel besser, als von Kappas gejagt und von mörderischen Nadelbäumen zerstochen zu werden.«
Ich drehte mich um und küsste seinen Hals. »Da gibt es etwas, das ich an Kishkindha vermisse.«
»Wirklich? Und was? Lass mich raten. Du vermisst unsere Streits.«
»Sich mit dir zu streiten ist lustig, doch die anschließende Versöhnung ist mir lieber. Das ist aber nicht, was ich vermisse. Ich vermisse, dich den ganzen Tag über als Mensch bei mir zu haben. Versteh mich nicht falsch. Ich liebe den Tiger in dir, aber es wäre schöner, eine normale Beziehung zu führen.«
Er seufzte und zwickte mich sanft in die Taille. »Ich weiß nicht, ob wir jemals eine normale Beziehung führen können.« Er schwieg eine Weile und gestand dann: »So sehr ich es genieße, ein Mensch zu sein, gibt es einen Teil in mir, der frei in der Wildnis herumlaufen will.«
Ich lachte in den dicken Lagen meiner Jacken. »Ich kann mir den Gesichtsausdruck des Parkaufsehers bildlich vorstellen, wenn ihm Wanderer erzählen, dass sie einen weißen Tiger im Wald gesichtet haben.«
Im Laufe der nächsten Wochen fielen wir in eine angenehme Routine. In gegenseitigem Einverständnis entschieden wir, Wushu eine Weile auf Eis zu legen, und ich musste eine halbe Stunde am Telefon verbringen, um Jennifer zu trösten und zu ermuntern, auch ohne mich weiterzumachen.
Ren wollte jede Minute bei mir sein, selbst als Tiger. Er liebte es, sich neben meinen Beinen auszustrecken, während ich am Boden saß und lernte.
Abends spielte er auf seiner Mandoline oder übte auf der neu gekauften Gitarre. Manchmal sang er für mich. Seine Stimme war samtig, klang warm und tief. Sein Akzent war beim Singen ausgeprägter, was ich sehr anziehend fand. Seine Stimme allein war betörend, aber wenn er sang, versetzte mich das regelrecht in Trance. Er machte häufig Scherze darüber, dass das Biest die Schöne mit seiner Musik zähmte.
Manchmal saß ich einfach nur da, Rens Tigerkopf in meinem Schoß, und beobachtete ihn beim Schlafen. Ich streichelte sein weißes Fell und spürte, wie sich seine Brust hob und senkte. Der Tiger war ein Teil von ihm, und ich störte mich nicht daran. Aber nun, da ich endlich akzeptiert hatte, dass er mich liebte, verspürte ich den unstillbaren Drang, bei ihm zu sein.
Es war frustrierend. Ich wollte jede Sekunde mit ihm verbringen. Ich wollte seiner Stimme lauschen, seine Hand in meiner spüren und mich an seine Brust schmiegen, während er mir vorlas. Wir waren zusammen, aber wir waren nicht zusammen . Ren verbrachte den Großteil seiner mensch lichen Stunden an der Uni, was wenig Zeit ließ, um unsere Beziehung zu vertiefen. Ich hungerte nach ihm. Ich konnte zwar mit ihm reden, doch er konnte nicht antworten. Rasch wurde ich eine Expertin, was die verschiedenen Gesichtsausdrücke von Tigern anbelangt.
Ich kuschelte mich jede Nacht auf dem Fußboden an Ren, und jede Nacht hob er mich hoch und legte mich zurück in mein Bett, sobald ich eingeschlafen war. Wir erledigten gemeinsam unsere Hausaufgaben, sahen Filme, lasen Othello zu Ende und fingen mit Hamlet an. Wir hielten engen Kontakt mit Mr. Kadam. Wenn ich ans Telefon ging, redeten wir über die Uni und Nilima, und er tröstete mich, weil meine Recherche über die Prüfung der Vier Häuser bislang ergebnislos verlaufen war. Er
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