Pfad des Tigers - Eine unsterbliche Liebe: Roman (German Edition)
schreckliche Traum, der mich schon früher einmal gequält hatte. Es war dunkel, und ich suchte verzweifelt nach etwas. Ich betrat ein Zimmer, in dem Ren auf einem Altar festgebunden lag und sich ein Mann in einem violetten Gewand über ihn beugte. Lokesh. Er riss das Messer hoch und wollte es Ren ins Herz rammen. Ich stürzte mich auf Lokesh und versuchte, ihm das Messer aus der Hand zu reißen, aber es war zu spät. Ren lag im Sterben.
»Kelsey, lauf!«, hauchte er mir zu. »Verschwinde von hier! Ich tue das für dich!«
Aber ich konnte weder weglaufen noch ihn retten. Ich brach auf dem Fußboden zusammen, denn ein Leben ohne Ren wäre vollkommen sinnlos.
Dann veränderte sich der Traum. Auf einmal war es dunkel, und Ren steckte in Tigergestalt in einem Käfig. Blutende Fleischwunden überzogen seinen Rücken.
Ich kniete mich vor ihn hin. »Komm schon, Ren. Ich bringe dich hier raus.«
Er verwandelte sich in einen Menschen und berührte mein Gesicht. »Nein, Kelsey. Ich kann nicht fliehen. Wenn ich es tue, wird er dich holen, und das werde ich nicht zulassen. Du darfst nicht bleiben. Geh bitte.« Er küsste mich rasch. »Geh!« Er schubste mich von sich weg und verschwand.
Ich drehte mich im Kreis, rief nach ihm. »Ren? Ren!«
In dem dichten Nebel machte ich eine Gestalt aus. Es war Ren. Er war gesund, stark und unverletzt. Er lachte, während er mit jemandem redete.
Ich berührte ihn am Arm. »Ren?«
Er hörte mich nicht. Ich stand vor ihm und winkte. Er sah mich nicht, lachte und legte einem hübschen Mädchen den Arm um die Schultern. Ich packte ihn am Kragen und schüttelte ihn, aber er spürte meine Berührung nicht.
»Ren!«
Er ging mit dem Mädchen fort und schob mich beiseite, als wäre ich ein lästiges Ärgernis. Ich begann zu weinen.
Das Zwitschern eines Vogels weckte mich. Ich hatte tief geschlafen, fühlte mich aber nicht erholt. Ich hatte die ganze Nacht von Ren geträumt, als Gefangener, eingesperrt und geschunden. Und in jedem Traum hatte er mich weggeschoben, sei es, um mich zu beschützen oder um mich loszuwerden.
Fünf Wochen. Fünf kurze, köstliche Wochen waren alles, was uns gemeinsam vergönnt gewesen war. Selbst wenn ich die Zeit mitzählte, die er zwar in Oregon gewesen war, mich jedoch abgesehen von Dates gemieden hatte, waren es nur zwei Monate. Das war nicht genug. Nicht, wenn man jemanden liebte. Es kam mir fast so vor, als läge ein Fluch auf mir, als würde ich die Menschen, die ich liebte, immer verlieren. Wie soll ich ohne ihn überleben?
Und dennoch … war er hier. Ebenso wie meine Eltern. Ich spürte ihre Nähe und hatte manchmal das Gefühl, ich müsste nur den Arm ausstrecken, um sie zu berühren. Es war dasselbe mit Ren – nur stärker. So viele sonderbare Dinge waren mir widerfahren. Ich hatte eine Schlange als Haustier, die gleichzeitig als Modeaccessoire fungierte, war fast von einem vampirischen Seepferdchenaffen gefressen worden, hatte einen Freund, der die meiste Zeit ein Tiger war, und konnte mit der Hand Blitze schleudern.
Ich zog mich an und ging nach unten, um Mr. Kadam, der bereits am Computer saß, zu helfen.
»Ach, Miss Kelsey. Guten Morgen. Wenn Sie soweit sind, ich hätte hier einige Landkarten, die Sie für mich überprüfen könnten.«
»Sicher.«
Er breitete eine riesige Karte von Indien vor mir aus und schob mir ein Blatt Papier mit der Übersetzung von Durgas zweiter Prophezeiung zu. Ein pelziger schwarzer Kopf strich an meinem Bein entlang, und ich beugte mich hinab, um ihn zu streicheln. Ich war froh um Kishans Anwesenheit, wünschte mir jedoch im Stillen, dass statt ihm ein weißer Tiger neben mir säße.
»Guten Morgen, Kishan. Schon gefrühstückt? Ich backe dir später Cookies, falls Mr. Kadam alle Zutaten hat.«
Er schnaubte zustimmend und machte es sich zu unseren Füßen gemütlich. Ich nahm die Prophezeiung und las sie durch.
Strebe du nach Durgas Gaben,
Ihr hehrer Segen kröne dein Werk.
Am Ort der Götter beginne die Suche,
Am eisigen Blau von Noes Berg.
Der ozeangleiche Lehrer salbe deine Augen,
Seinem weisen Rate folge mit Bedacht.
Er möge entrollen die heil’ge Schrift,
Die Geistertore unterstehen seiner Macht.
Suche unbeirrt das Paradies,
Erklimme furchtlos den uralten Blätterthron,
Zu welchem führet der kostbare Nabelstein.
Auf dem Weltenbaum wartet dein luft’ger Lohn.
Gegen grausame Verfolger helfen
Maske, Diskus, Pfeil und Bogen.
Bei der Prüfung der Vier Häuser
Ist man nur den Guten
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