Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
andere als verarmt war, und eventuell war es angeraten, ihm von ihrer Kindheit zu erzählen … ach ja, und dass sie der Bruder war, den er in Ägypten traf. Ihr wurde unbehaglich, bedachte sie, wie vieles sie ihm verheimlicht hatte. Aber wenn er sie wirklich liebte, machte es vielleicht nichts. Und falls er sie nicht liebte, wäre es erst recht nicht von Bedeutung.
Sie hoffte, dass sie nach dem Dinner einen Moment allein reden könnten. Aber Nathanial und seine Brüder waren wieder einmal im Club des Earls. Lady Wyldewood hatte Gabriella eingeladen, sie und ihre Tochter zu einer Gesellschaft zu begleiten, was sie jedoch höflich ablehnte. Stattdessen zog sie sich mit einem Buch auf ihr Zimmer zurück. Tatsächlich hatte sie sich einen Roman in der Bibliothek ausgesucht, über eine junge Frau, die versuchte, die idealen Partien für ihre Freundinnen zu finden. Unfug, natürlich, aber überraschend unterhaltsam. Gabriella hatte geplant, so lange zu lesen, bis sie Nathanial auf dem Korridor hörte, weshalb sie auch ihre Tür einen Spalt weit offen ließ. Dann könnte sie mit ihm sprechen.
Und sollte ihr zweiter Besuch in seinem Zimmer zu mehr als Gesprächen und Geständnissen führen, nun, nachdem sie einmal wahrhaft ruiniert war, blieb ihr im Grunde nichts zu wünschen, als es wieder und wieder zu werden.
Doch bald schon verschwammen ihr die Buchstaben vor den Augen, und das Buch fiel ihr aus der Hand. Gabriella sank in einen tiefen Schlummer, in dem sie von dunkelhaarigen Männern träumte, deren Haar von der Sonne gebleicht war, von Küssen im Mondschein und bedingungslosem Vertrauen.
Nate schritt den Korridor entlang zu seinen Gemächern. Obwohl er mit Sterling und Quint einen langen Abend in Sterlings Club verbracht hatte, war er nicht im Mindesten angetrunken. Nun, vielleicht doch ein klein wenig, aber gewiss nicht sehr.
Er sah zu Gabriellas Tür und blieb stehen. Sie stand ein kleines Stück offen, und drinnen brannte noch Licht. Wartete sie auf ihn? Er grinste. Was für eine köstliche Vorstellung. Schon vor der letzten Nacht hatte er gewusst, dass er für den Rest seines Lebens jede Nacht das Bett mit ihr teilen wollte, allerdings hatte er nicht erwartet, dass es so bald geschähe. Was ihm dennoch sehr recht war.
»Gabriella?«, sagte er leise, schob die Tür weiter auf und schlich ins Zimmer.
Sie lag zusammengerollt auf der Seite; ein Arm baumelte über die Bettkante, und das Buch, in dem sie gelesen hatte, lag darunter auf dem Fußboden. Sie schlief, stellte Nate enttäuscht fest, und so gern er es auch täte, würde er sie nicht aufwecken. Lautlos näherte er sich dem Bett, hob das Buch auf und lächelte, als er den Titel sah. Ein Roman. Ein Liebesroman noch dazu. Sie hatte sich eindeutig weiterentwickelt, seit sie sich erstmals begegnet waren. Was erst so kurz zurücklag, und doch war ihm, als kannte er sie schon immer. Vielleicht tat er es in seinen Träumen oder seinem Herzen.
Er legte das Buch auf den Tisch neben dem Bett und wollte die Lampe löschen, als er noch einmal innehielt, um sie anzusehen. Niemals würde er müde, sie anzuschauen. Nicht einmal, wenn sie so alt wurden wie die Reliquien, denen er nachjagte. Und eines Tages würden Kinder da sein und …
Und er könnte unmöglich mit der Suche nach antiken Schätzen fortfahren. Der Gedanke traf ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Wie könnte er sie verlassen? Ungeachtet dessen, was Gabriella sich von ihrem Leben erhoffte, könnte er sie auf keinen Fall auf seine Expeditionen mitnehmen. Nicht nachdem er erfahren hatte, wie sie aufgewachsen war. Es wäre Unrecht und nicht das, was sie verdiente. Sie verdiente etwas … nun, Besseres. Wenn er Gabriella an seiner Seite wollte, musste sich sein Leben ändern.
Er sah sie noch ein letztes Mal an, dann löschte er das Licht. Es war ein geringer Preis, den zu zahlen sich unbedingt lohnte.
Vierundzwanzigstes Kapitel
»Wären Sie so freundlich, Lord Rathbourne auszurichten, dass ich ihn gern sprechen würde«, sagte Gabriella zum Butler seiner Lordschaft. Wie gestern begrüßte Franks sie auch heute mit so wenigen Worten wie möglich und führte Gabriella und Xerxes in die Bibliothek.
»Wie Sie wünschen, Miss.« Der Butler zögerte. »Ich habe seine Lordschaft heute Morgen noch nicht gesprochen, aber da die Schatzkammer offen ist, nehme ich an, dass Lord Rathbourne anderweitig im Haus beschäftigt ist. Ich werde ihm Ihre Bitte vortragen, sobald ich ihn sehe.«
»Nun, dann können
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