Pfade der Sehnsucht: Roman (German Edition)
etwas gestehe, ohne im Gegenzug ein Geständnis von Ihnen erwarten zu dürfen.« Als er sie fragend ansah, ergänzte sie: »Gewiss haben Sie auch ein Geständnis abzulegen; eine Missetat, die schwer auf Ihrem Gewissen lastet?«
»Da fiele mir ad hoc nichts ein«, sagte er grinsend. »Obgleich ich zugeben muss, dass ich gehofft hatte, Sie wären nicht mit einem anderen Gentleman hier verabredet.«
Zunächst war sie fast erschrocken, dann seufzte sie theatralisch. »Sie haben mich durchschaut. Wie überaus beschämend, zumal mich der fragliche Gentleman offensichtlich versetzt.«
»Welch ein Glück für mich.« Er nahm ihre Hand, führte sie an seine Lippen und schaute ihr dabei in die Augen.
»Denken Sie?«
»Oh ja.« Immer noch hielt er ihre Hand ebenso fest wie ihren Blick. »Verzeihen Sie, aber kennen wir uns? Sie kommen mir erstaunlich bekannt vor.«
»Erinnern Sie sich nicht?« Da war ein seltsamer Unterton in ihrer Stimme, und Nate war nicht sicher, ob sie beleidigt oder erleichtert war.
»Ich bitte vielmals um Vergebung«, sagte er kopfschüttelnd. »Mir ist unvorstellbar, wie ich es vergessen konnte, aber …«
Sie entwand ihm ihre Hand. »Ich muss sagen, das ist ganz und gar nicht charmant.«
»Es tut mir leid, ich …«
»Erinnern Sie sich nicht, dass wir zusammen tanzten?«
»Nein, ich fürchte …«
»An wenige lauschige Momente während eines Spaziergangs in einem Garten ganz ähnlich dem hiesigen?«
»Ich wüsste nicht …«
»Einen gestohlenen Kuss im Mondschein?«
Er schluckte. »Ich muss ein Idiot sein.«
»Ja, müssen Sie«, bestätigte sie, klappte den Fächer aus, der an ihrem Handgelenk hing, und sah Nate nachdenklich an. »Andererseits würde ich vermuten, dass Sie mit vielen Damen tanzen, zahlreiche lauschige Spaziergänge in Gärten unternehmen und manch einen Kuss im Mondlicht stehlen. Da fällt es Ihnen sicherlich schwer, sich jedes einzelnen Vorfalls und jeder einzelnen Dame zu entsinnen.«
»Ja. Nein!«, rief er beinahe empört. »Ich habe noch keine Dame vergessen, die ich …«
Sie zog eine Braue hoch.
»Bisher nie«, lenkte er resigniert ein. »Sie sehen mich zutiefst beschämt.«
»Ach ja?« Sie lachte, was gleichermaßen gewinnend wie ansteckend wirkte. »Nun, das ist entzückend!«
Er lächelte verlegen. »Wer sind Sie?«
»Aber, aber, wenn ich Ihnen das verrate, würde es den ganzen Spaß verderben. Da Sie sich nicht an meinen Namen erinnern, halte ich es nur für gerecht, wenn Sie sich dieses Wissen verdienen müssen.« Ihre Augen funkelten amüsiert. »Vielleicht fällt er Ihnen ein, wenn wir noch einmal tanzen …«
»Oder im Garten spazieren gehen.« Er trat näher zu ihr und sah sie an. »Oder uns im Mondschein küssen.«
»Mag sein«, sagte sie leise.
Er neigte seine Lippen zu ihren.
»Doch ich küsse niemanden ein zweites Mal, der sich nicht erinnert, mich schon einmal geküsst zu haben.« Sie wich zur Seite aus und ging Richtung Tür.
»Dann ein Tanz«, sagte Nate hastig. »Gewähren Sie mir zumindest die Chance, mich an einen Tanz zu erinnern.«
Sie blickte sich über die Schulter zu ihm um. »Na schön. Ich würde es allerdings vorziehen, wenn wir die Bibliothek getrennt verlassen. Es wäre mir höchst unangenehm, für Gerede zu sorgen.«
»Dann sehe ich Sie auf der Terrasse?«
Sie warf ihm ein strahlendes Lächeln zu, worauf sich Nates Herz merkwürdig benahm. »Darauf dürfen Sie zählen.«
Mit diesen Worten rauschte sie aus dem Raum und ließ Nate allein zurück, der auf die geschlossene Tür starrte.
Wer war sie? Sie kam ihm bekannt vor, aber er konnte sie beim besten Willen nicht zuordnen. Auf keinen Fall hätte er eine solch bezaubernde Frau vergessen. Nate hatte stets eine Schwäche für hübsche Damen mit dunklem Haar und blauen Augen gehabt, ganz besonders wenn sie auch noch klug waren. Und dass Letzteres auf diese zutraf, stand außer Frage. Gewiss zählte sie nicht zu den diesjährigen Debütantinnen. Dafür trat sie viel zu sicher auf. Außerdem konnte sie nur wenig jünger als Nate sein. Vielleicht war er ihr auf einer seiner Reisen begegnet. Da war ein Hauch von Akzent in ihrer Stimme. Er – Sie war absolut bezaubernd. Nein, er würde sich erinnern, hätte er sie im Mondschein geküsst.
Und mit etwas Glück würde er es bald wieder tun. Und es diesmal nicht vergessen.
Gütiger Gott, was war über sie gekommen?
Gabriella eilte den Korridor entlang und zwang sich, ruhig zu bleiben, als sie in den Ballsaal zurückging. Dort
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