Pfarrers Kinder Muellers Vieh
waren meine »bluejeans«. Ich kaufte mir dieses praktische Kleidungsstück für die Gartenarbeit und für’s Fensterputzen. Denn da der Mensch sieht, was vor Augen ist, hoben die Bauern gern ihre Blicke empor, wenn ich mich oben auf der Fensterbank streckte, oder unten gebückt im Garten arbeitete. Diese »bluejeans« nun waren keineswegs von der knallharten Art. Sie »hatten Spiel«, hingen mir nur lose um die Hüften und waren sehr bequem. Aber der Anblick einer Pfarrfrau in Hosen stand in so krassem Gegensatz zu dem vertrauten Bild der würdigen Pfarrmatrone mit weißer Schürze, daß es sogar den weniger Frommen die Sprache verschlug. Ich merkte zuerst gar nicht, was für einen Aufruhr ich im Dorf verursachte und daß ich mit meinen schlabbeligen Arbeitshosen als Revolutionärin auf den Barrikaden stand. Aber die Jugend des Dorfes witterte Morgenluft. Die Jungen und Mädchen stellten sich schützend vor meine Hosen und verteidigten sie gegen die schimpfenden Alten. Sie taten dies aus Freundlichkeit für mich, aber auch aus eigenem Interesse.
Es dauerte nicht lange, da fuhr die erste Maid in »blue jeans« aufs Feld. Die Hosen saßen strammer als die meinen und waren, wie alle betonten, sehr praktisch für die Arbeit auf dem Acker.
Meine fromme »Freundin« ließ sich nicht mehr im Pfarrhaus blicken. Sie hatte mich als hoffnungslosen Fall aufgegeben und gedachte meiner nur noch im Gebet.
Ein Splitter im Finger und adventliehe Gesänge
Meine Mutter war berühmt wegen ihrer Frauenstunden. Der Gemeindesaal füllte sich bis zum letzten Platz. Da saßen die Frauen in andächtigem Schweigen, ihre Augen hingen an Muttis Lippen. Sie sprach über biblische Frauengestalten, über Maria und Martha, Ruth und Tabea, die Witwe von Zarpath und Lots neugieriges Weib. Sie erzählte von Mathilda Wrede, dem Engel der Gefangenen und Eva von Tiele-Winckler, der Mutter der Diakonissen. Jede Frau fühlte sich angesprochen und erhoben. Gestärkt zu guten Werken und besserem Leben verließ man den Gemeindesaal.
Den ganzen Tag vor der Frauenstunde aber litten wir im Pfarrhaus große Not. Mutti war krank und unglücklich. Der Kopf schmerzte, der Leib grimmte, und die meiste Zeit verbrachte sie auf dem stillen Örtchen, weil sie Durchfall hatte. Wir schlichen durch das Haus.
»Seid leise, Mutti hat heute Frauenstunde!« flüsterten wir uns zu. »Komm, Mutti, du wirst es schon schaffen«, sagten wir zu ihr, »du kannst es doch wunderbar! Paß auf, der Saal ist gerammelt voll, und alle Frauen werden begeistert sein!«
Sie schüttelte traurig den Kopf. »Heute kommt sicher niemand. Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl. Und wenn jemand kommt, was soll ich sagen? Mein Kopf ist leer. Ich weiß gar nichts mehr.«
Es zerschnitt uns das Herz, daß sie so leiden mußte. Wir waren zornig auf die Frauen, die nicht kommen würden. Dann war es Zeit, sie mußte gehen. Mit leerem Kopf und leerem Leib, mit wehem Lächeln, Gesangbuch und Bibel. Uns ließ sie bedrückt und traurig zurück. Manchmal ging ich in mein Zimmer, um für sie zu beten, oder ich lief zum Gemeindehaus hinüber und schaute durch das Fenster. Waren Frauen da? Hing Mutti schon ohnmächtig über dem Pult?
Dann kam sie wieder. Meist strahlend, vergnügt und triumphierend. Viele Frauen waren erschienen. Sie hatte ihnen etwas »geben« können. Es war ein gesegneter und guter Abend gewesen. Und nun hatte sie Hunger. Uns rumpelten die Steine nur so vom Herzen. Einer lief in die Küche und holte etwas Gutes, denn sie hatte den ganzen Tag nichts gegessen. Die nächste Frauenstunde drohte erst in vierzehn Tagen.
Nun war ich an der Reihe. Frauenstunden gehörten für mich zum Pensum der Pfarrfrau, eine üble aber unumgängliche Pflicht.
»Tu langsam«, mahnte Manfred, »was du anfängst, mußt du treiben. Laß dir Zeit!« Ich ließ mich nicht beirren. Die Frauenstunde wurde auf Dienstagabend gelegt und am Sonntag vorher in der Kirche angekündigt.
Die biblischen Frauengestalten erschienen mir über Jahre hinaus ergiebig. Für den ersten Abend bot sich Eva an. Genau wie Mutti setzte ich mich drei Tage vor dem großen Ereignis an den Schreibtisch. Wohl vorbereitet und ohne Aufregung wollte ich die Feuerprobe bestehen.
»Und der Herr sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. Ich will ihm eine Gefährtin geben.« Ein guter Vers! Erst einige Monate verheiratet, kamen mir viele erbauliche Gedanken dazu.
Auch die Geschichte mit dem Sündenfall war ertragreich. »O, daß wir
Weitere Kostenlose Bücher