Pfefferkuchenhaus - Kriminalroman
Herzschlag hämmerte in seinen Ohren, und zum ersten Mal, seit er sich erinnern konnte, hatte er Angst. Wenn man bereits zappelnd am Boden der Gesellschaft lag, brauchte man sich vor nichts mehr zu fürchten. Aber jetzt, jetzt spürte er, wie ihn die Angst in ihren Würgegriff nahm, die Angst und der Impuls zu handeln. Also entschied er sich, einem weiteren Menschen aus dem Schattenreich der Vergangenheit einen Besuch abzustatten.
In diesem Moment klingelte es an der Tür. Er zuckte zusammen und sprang aus dem Bett. Bevor er überhaupt darüber nachdenken konnte, hatte er die Tür geöffnet und bereute es, noch bevor sie ganz aufgeschwungen war. Wer konnte ihn denn um diese Uhrzeit an einem Sonntagabend besuchen wollen? Mit Sicherheit niemand, mit dem er sich gerne unterhalten würde. Aber jetzt war es zu spät. Jetzt standen sie da, ein Mann und eine Frau in Zivilkleidung, die mit ihren Polizeimarken wedelten. Wie konnte er nur so dumm gewesen sein, ihnen zu öffnen?
»Kriminalmeisterin Petra Westman, Polizeiwache Hammarby, Abteilung für Gewaltverbrechen«, sagte die Frau selbstbewusst.
»Kriminalmeister Jamal Hamad«, sagte der Mann.
Thomas sagte gar nichts. Er schaute sie nur erschrocken an.
»Wir suchen Thomas Karlsson«, sagte die Frau. »Sind Sie das?«
Thomas starrte sie einen Augenblick lang einfach nur regungslos an.
»Ja«, antwortete er schließlich, aber seine Stimme brach, es klang wie ein Flüstern.
Er hatte das ganze Wochenende lang seine Stimme nicht benutzt. Jetzt war er genötigt, sich zu räuspern, und als er sich räusperte, bekam er ein hochrotes Gesicht.
»Ja«, wiederholte er mit mehr Kontrolle über seine Stimme. »Das bin ich.«
Am liebsten wäre er einfach im Boden versunken, aber er stand, wo er stand, mit zitternden Händen und flackerndem Blick.
»Dürfen wir einen Augenblick reinkommen?«, fragte der Polizist mit ernster Miene.
Thomas antwortete nicht, sondern trat sofort ein paar Schritte zurück, als ob es sich um einen Befehl gehandelt hätte, denn für ihn war alles Befehl, was andere Menschen sagten. Die beiden Polizisten traten in die kleine Diele und schauten sich mit misstrauischen Blicken um. Die Frau schloss die Tür hinter sich.
»Wir würden gerne wissen, wo Sie an folgenden Tagen gewesen sind«, sagte die Polizistin.
Sie zählte ein paar Daten und Zeitpunkte auf, aber Thomas gelang es nicht, sich auf ihre Worte zu konzentrieren. Er antwortete trotzdem, ganz reflexartig, was ihn verwunderte.
»Ich war zu Hause«, sagte er und richtete den Blick auf den braunen Teppichboden seiner Diele. »Zu Hause oder auf der Arbeit.«
»Das ist ja erstaunlich, wie genau Sie das alles noch wissen«, sagte die Polizistin. »Möchten Sie nicht lieber in Ihren Terminkalender schauen, bevor Sie antworten? Sie müssen schon entschuldigen, aber es wirkt nicht besonders glaubwürdig, wenn jemand so schnell antwortet.«
»Ich habe keinen Terminkalender«, sagte Thomas verschämt. »An Wochentagen zwischen sechs und vier Uhr arbeite ich entweder, oder ich bin auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause. Ansonsten bin ich hier. An Wochenenden bin ich immer zu Hause.«
»Gibt es jemanden, der diese Angaben bestätigen kann?«
»Tja, auf der Arbeit gibt es bestimmt jemanden, der weiß, wann ich immer da bin …«
»Und sonst?«
»Es ist wohl schwer zu beweisen, dass ich zu Hause war, wenn ich zu Hause war …«
»Sie hatten keine Verabredungen …?«
»Nein«, gab Thomas zu. »Die meiste Zeit bin ich allein.«
»Die meiste Zeit?«
»Also eigentlich immer. Ich bin immer allein«, sagte Thomas plötzlich mit lauter und deutlicher Stimme, ohne zu wissen, woher die plötzlich kam.
Die beiden Polizisten tauschten einen kurzen Blick aus, und die Polizistin schrieb etwas in einen kleinen Notizblock.
»Warum fragen Sie danach?«, wollte Thomas wissen.
»Können wir uns vielleicht irgendwo hinsetzen?«, fragte der Polizist.
Thomas nickte und ging ihnen in die Küche voraus. Die Polizistin blieb in der Diele stehen und machte fleißig Notizen. Sie setzten sich jeder auf einen Stuhl am Küchentisch, und Thomas schaute verzweifelt auf seine Hände, die auf seinen Knien ein eigenes Leben zu führen schienen.
»Sie haben keine Familie?«, fragte der Polizist.
»Nein«, antwortete Thomas.
»Wäre es möglich, dass Sie mir ein bisschen über sich selbst erzählen?«
Thomas fand, dass der Polizist freundlich aussah, aber seine Augen waren wachsam und musterten die Einrichtung der
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